Status Quo – Jede Menge Vorteile
Vertrieb? Sind das nicht die, die den ganzen Tag im Auto sitzen und den Leuten Dinge aufschwatzen, die sie gar nicht brauchen? Betrachtet man das Bild von Vertriebler*innen, das in der Öffentlichkeit vorherrscht, kommt diese Berufssparte nicht sonderlich gut weg: 67 Prozent der Deutschen bewerten den Vertriebsjob laut einer Studie des Sales Management Department der Universität Bochum als unattraktiv. Gerade mal acht Prozent der Befragten würden ihrem Kind eine Karriere im Vertrieb empfehlen. Dabei braucht jedes Unternehmen gute Leute, die die Produkte und Dienstleistungen an die Frau oder den Mann bringen. Fachkräfte werden dementsprechend dringend gesucht und häufig mit guten Konditionen gelockt. Könnte es sich vielleicht doch lohnen, den Schritt in die Welt des Vertriebs zu wagen? Was steckt wirklich hinter den allgemeingültigen Klischees? Welche Anforderungen müssen Vertriebler*innen erfüllen und wie hat sich der Vertrieb in den letzten Jahren weiterentwickelt?
Mindset – Harte Schale, weicher Kern?
Zahlen, Ziele, Abschlüsse: Im Vertrieb geht es um knallharte Fakten. Produkte oder Dienstleistungen unter die Leute zu bringen ist das oberste Ziel. Interner Wettbewerb unter den Kolleg*innen ist dabei nicht unüblich, der Vergleich von Verkaufszahlen gehört dazu. Eine dicke Haut und starke Nerven sind deshalb gefragt. Das gilt auch für den Kundenkontakt: Immer wieder ein »Nein« zu hören ist Teil des Vertriebsalltags. »Natürlich wird nicht jedes Angebot, das man schreibt, auch angenommen«, erklärt Andreas Leppert, Key Account Manager beim Spezialkomponenten-Anbieter Swagelok Stuttgart. »Man muss sich daran gewöhnen, auch mit einem ›Nein‹ umgehen zu können. Ich sehe ein ›Nein‹ immer auch als Chance, herauszufinden woran es gelegen hat. So kann ich beim nächsten Mal vielleicht ein ›Ja‹ erreichen.« Dabei ist vor allem Einfühlungsvermögen gefragt. Denn im Vertrieb kommt es auch auf das Zwischenmenschliche an. Das Gegenüber muss sich verstanden fühlen und seine individuellen Bedürfnisse adressieren können. Kundenkontakte zu pflegen, auch ohne laufende Projekte, gehört für Vertriebler*innen genauso dazu wie der knallharte Verkauf. Auch wenn sich hier auf den ersten Blick kein schnelles Geld machen lässt, zahlen sich langfristige Kundenbeziehungen enorm aus – denn Stammkund*innen sorgen durch regelmäßige Aufträge für einen stabilen Umsatz.
Sprungbrett – Es zahlt sich aus
Eine Karriere im Vertrieb hat viel zu bieten: Gute Vertriebler*innen werden nicht nur händeringend gesucht, sondern in den meisten Fällen auch ordentlich honoriert. Die Einstiegsgehälter sind ansehnlich und variable Vergütungsmodelle üblich. Der variable Anteil kann dabei bis zu 30 Prozent des Gehalts ausmachen und bemisst sich an der individuellen Leistung der Verkäufer*innen. Im Vergleich zu Jobs mit fixem Stundenlohn kann man im Vertrieb durch bessere Leistung also auch mehr rausholen. Wo früher ergänzend zum Fixgehalt klassischerweise Provisionen gezahlt wurden, zeigt sich heute ein Trend hin zu Zielprämien, die neben Umsatz oder Deckungsbetrag auch strategische Ziele, wie den Gewinn wichtiger Kunden oder Aufträge, mit einschließen. »Das variable Gehalt verursacht natürlich einen gewissen Leistungsdruck«, erklärt Key Account Manager Andreas Leppert. »Der Vorteil ist jedoch, dass man für seine individuelle Leistung belohnt wird. Das wirkt motivierend.« Größere Pläne? Auch als Sprungbrett in Führungspositionen ist Vertriebserfahrung Gold wert, denn Vertriebler*innen erwerben sowohl Fähigkeiten im konzeptionellen Arbeiten und Selbstmanagement als auch Menschenkenntnis und Einfühlungsvermögen. Diese Erfahrungen können Wegbereiter für Positionen in der Teamleitung oder im oberen Management sein.
Ausblick – Interview mit Prof. Dr. Christian Schmitz, Masterstudiengang Sales Management, RuhrUniversität Bochum
Was tut sich aktuell im Vertrieb und wie entwickelt sich die Rolle der Vertriebler*innen?
Die Veränderung fängt beim Kunden an: Sowohl B2B- als auch B2C-Kunden sind heute zum Zeitpunkt des Erstkontakts mit dem Vertrieb bereits sehr gut informiert. Teilentscheidungen sind schon getroffen. Umso höher sind die Anforderungen an die Verkäufer*innen, denn es reicht nicht mehr aus, Produkte und Preise vorzustellen. Die Kund*innen müssen in der Phase der Kaufentscheidung abgeholt werden, in der sie sich gerade befinden. Auch das Bild von Vertriebler*innen als Einzelkämpfer im Unternehmen entspricht nicht mehr dem Status quo. Heute brauchen wir im Vertrieb Teamplayer, die mit ihren Kolleg*innen kooperieren und einen Überblick über die Kommunikation sämtlicher Abteilungen mit den Kund*innen haben.
Welche weiteren Fähigkeiten sind gefragt?
Vertriebler*innen agieren oft wie ein Intrapreneur im Unternehmen. Eine selbstständige Arbeitsweise ist dementsprechend ein Muss. Ein gewisser Ehrgeiz für Erfolge ist wichtig, denn tendenziell lehnen viele Kunden erst mal ab. Ein weiterer Punkt ist das Zuhören. Nicht umsonst heißt es im Vertrieb: »Es gibt einen Grund warum man zwei Ohren und nur einen Mund hat.« Anders als oft angenommen, geht es vor allem darum, den Kund*innen zuzuhören und deren Bedürfnisse zu erkennen. Wer das mitbringt, den erwartet ein Job mit vielen Freiheiten, hervorragenden Entwicklungsmöglichkeiten und einem hohen Einstiegsgehalt, das durch gute Leistungen noch gesteigert werden kann. Von fehlendem Produkt-Know-how sollten sich Bewerber*innen nicht abschrecken lassen. Das spezifische Wissen wird in der Regel bei Einstieg durch die Firmen vermittelt.
Wie sind die Chancen bei einem Einstieg im Vertrieb?
Gute Leute werden dringend gesucht. Aktuell entstehen viele Traineeprogramme, um Studierenden einen Gesamtüberblick zu geben und sie auf den Beruf vorzubereiten. Dabei wird man gut an die Hand genommen, das Problem ist eher: Man hört wenig über Vertrieb im Studium – das versäumen viele Unis. Dabei bringt der Einstieg viele positive Aspekte mit sich – man hat viele Freiheiten, oft ein Geschäftsauto und ein gutes Gehalt – welches durch Leistung sogar steigerbar ist. Entwicklungsmöglichkeiten in Richtung Führungsposition werden ebenfalls stark gefördert.