Himmel voller Geigen
Trainee-Programm gleich Trainee-Programm? Gibt es Unterschiede?
Im Gegensatz zu Praktika und Berufsausbildungen gibt es für Trainee-Programme bisher keinerlei rechtsgültige Standards oder allgemeinverbindliche Richtlinien. Generell lassen sich klassische Traineeprogramme und Fachtrainee-Programme voneinander unterscheiden. In einem klassischen Trainee-Programm bilden Unternehmen ihren eigenen Fach- und Führungskräftenachwuchs aus. Dazu durchläuft ein*e Trainee während des meist zwölf bis 24 Monate dauernden Programms in einer Arbeitsplatz-Rotation verschiedene Abteilungen für jeweils einige Wochen oder Monate. Bei international tätigen Firmen oft auch im Ausland, um das Unternehmen in seiner Gesamtheit kennenzulernen. Fachtrainee-Programme sind auf eine Übernahme in eine Fach- oder Führungsposition ausgerichtet, beinhalten regelmäßige Weiterbildungsmaßnahmen und zeichnen sich durch eine Arbeitsplatz-Rotation aus. Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass ein*e Trainee hier nicht alle Abteilungen des Unternehmens durchläuft, sondern lediglich die für seinen bzw. ihren Schwerpunkt relevanten. Daneben gibt es noch ein Trainee-Studium – eine duale Management-Ausbildung, die Uni-Studium mit Trainee-Programm kombiniert.
Soll ich oder nicht? Welches Traineeship eignet sich für wen?
Trainee-Programme bei Global Playern wie ehemals Daimler-Benz, Allianz oder Siemens sind oft nur Überflieger*innen vorbehalten. Hard- und Soft Skills der Bewerber*innen werden in mehrstufigen Auswahlverfahren getestet, wenn sie denn überhaupt vom Unternehmen eingeladen werden. Ohne Prädikatsexamen, Auslandserfahrung, Praktika, außeruniversitärem Engagement und Co. bleibt vielen Bewerber*innen der Karrierestart als Trainee bei großen Konzernen verwehrt. Doch auch ein Trainee-Programm bei Firmen aus dem Mittelstand kann ein Karrieresprungbrett sein. Bei kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) haben zudem oft auch Quereinsteiger*innen, Studienabbrecher*innen und Absolvent*innen von Orchideenfächern eine Chance. Bewerber* innen sollten sich immer gut informieren, das Gesamtpaket betrachten und das Angebot in Relation zu ihren Qualifikationen und beruflichen Zielen setzen.
Welche Vorteile bietet das Trainee-Programm gegenüber dem Direkteinstieg?
Die Arbeitsplatz-Rotation im klassischen Trainee-Programm hat nicht nur den Vorteil, dass das Fußfassen durch den Einblick in viele einzelne Abteilungen und den Netzwerkaufbau im Vergleich zum Direkteinstieg erheblich leichter fällt. Mit seinen mehrwöchigen oder gar mehrmonatigen Stationen in den unterschiedlichsten Abteilungen eines Unternehmens bietet ein Trainee-Programm jedem bzw. jeder Absolvent*in die Möglichkeit den Einsatzbereich zu finden, der am besten zu einem passt, sei es Marketing, Vertrieb, Personalwesen, Entwicklung oder Geschäftsführung. Trainee-Programme sind somit besonders für Generalist*innen interessant, die sich noch nicht festgelegt haben, in welchem Bereich sie tätig werden möchten. Fachtrainee-Programme und Trainee-Arten, die direkt auf einen Einstieg in eine bestimmte Abteilung hin ausbilden, sind davon ausgeschlossen. Doch selbst in diesen Programmen merkt man während der Trainee-Zeit, welche Aufgabenbereiche einem mehr liegen, in welchen man noch Weiterentwicklungspotenzial hat und welche auch zum Job gehören werden, ohne dass sie einem jemals wirklichen Spaß bereiten.
Stichwort Kompetenz: Was sollten Absolvent*innen für ein Traineeship unbedingt mitbringen?
Alle HR-Verantwortlichen, mit denen wir im Laufe der Zeit über Traineeprogramme gesprochen haben, setzen für Bewerber*innen ein überdurchschnittlich abgeschlossenes Hochschulstudium voraus. Sehr spezialisierte Firmen priorisieren bestimmte Fachrichtungen, wie etwa Wirtschaftsinformatik, Ingenieurwesen, Informatik oder ähnliches. Viele Konzerne setzen auf Generalist*innen aus den Geistes- und Sozialwissenschaften – kombiniert mit einem sehr guten unternehmerischen Denken. Relevante Soft Skills: Überdurchschnittliche Eigeninitiative, Kommunikationsfähigkeit, Neugierde und Offenheit – schließlich kommt man als Trainee mit sehr vielen Kolleg*innen unterschiedlichster Bereiche in Kontakt.
Sind die Programme branchenübergreifend vertreten?
Mittlerweile ja. Vor 10 bis 15 Jahren waren Trainee-Programme hauptsächlich in Unternehmensberatungen, Banken und großen DAX-Konzernen beliebt. Dann kam die Kreativ-Sparte auf den Geschmack: Agenturen, Verlage, TV-Sender, Online-Portale. Heute sind sie branchenübergreifend als Karrieresprungbrett für High-Potentials nicht mehr wegzudenken.
Welchen Aufgaben müssen sich Absolvent*innen stellen?
Firmen, die Traineeprogramme als elementaren Bestandteil des Talent- und Nachfolgemanagements sehen, legen das Programm von Anfang an auf eine langfristige Zusammenarbeit in einer Expert*innen- oder Management-Funktion aus. Dementsprechend sind die Aufgaben während eines solchen, qualifizierenden Traineeprogramms von Beginn an verantwortungsvoll: Eigene Projekte, Unterstützung bei Großprojekten, strategische Ausarbeitungen, Präsentationen und Co. sind selbstverständlich. Dabei werden Trainees bestenfalls von Führungskräften oder Mentor*innen unterstützt. Was hat sich durch Corona im Bewerbungsprozess geändert? Nicht sehr viel – nur: Alles findet mittlerweile vielfach digital statt. Vom Assessment-Center mit Postkorbübung, Selbstvorstellung, Gruppendiskussion und/oder Case-Study über das klassische Vorstellungsgespräch bis hin zum Persönlichkeitstest sind die Auswahlverfahren prinzipiell gleich geblieben. Abseits von Corona: Was sich in den letzten Jahren schrittweise geändert hat, sind die möglichen Bewerbungswege (Stichwort: Xing und LinkedIn). Hiermit verbunden ist die Notwendigkeit einer professionellen Selbstdarstellung auf diesen Portalen. Hinzu kommt, wie kürzlich DER SPIEGEL berichtete, dass mehr und mehr Firmen, insbesondere Firmen mit entsprechend vorhandenen Ressourcen, eine Software einsetzen, um Bewerber*innen hinsichtlich gewisser Keywords zu analysieren bzw. zu filtern. Wer dann gewisse notwendige Schlüsselbegriffe in seiner Bewerbung nicht liefert bzw. auflistet, wird oftmals direkt aussortiert.
Ihr Tipp: Wie kann man als Bewerber*in aus der Menge herausstechen?
Die Hard Skills erfüllen bei der Bewerbung um einen Trainee-Platz mehr als 90 Prozent der Bewerbenden. Herausstechen geht also am besten mit Soft Skills. Die aus unserer Sicht entscheidenden sind: Einfühlungsvermögen, Kreativität und die Fähigkeit, Geschichten von, mit oder über sich zu erzählen. Letzteres funktioniert mit den beiden zuvor genannten Eigenschaften am besten. Wenn ich meine*n Gegenüber einschätzen kann, fällt es mir leicht, Geschichte so zu erzählen, dass sie auch wirklich mit Kopf-Kino, Emotion und Wow-Effekt ankommt. Die Struktur solcher Erzählungen kann sich zeitlich an Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft orientieren. Was habe ich in der Vergangenheit an Fähigkeiten/Erfahrungen erworben? Welche Skills eigne ich mir momentan an? Und wie möchte ich mein Profil in der Zukunft optimieren.
Das liebe Geld: Wie viel Gehalt dürfen Absolvent*innen im Rahmen eines Trainee-Programms erwarten?
Generell geben hierzu auch Portale wie Gehalt.de oder Xing.com Auskunft. Abseits davon kann man sagen, dass die Traineevergütung den Stellenwert der Programmteilnehmer*innen seitens der Geschäftsführung darstellt. Das durchschnittliche Jahresgehalt von Trainees liegt bei etwa 38.000 Euro. Das entspricht einem monatlichen Salär von ca. 3.166 Euro. Das Trainee-Gehalt schwankt allerdings sehr: Es hängt im Wesentlichen von zwei Faktoren ab: Der Unternehmensgröße und dem Studienabschluss. Je größer das Unternehmen, desto höher in der Regel das Trainee-Gehalt. In Sachen Studienabschluss gilt: Ingenieur*innen, Naturwissenschaftler*innen und Informatiker*innen liegen bei durchschnittlich 40.500 Euro. Absolvent*innen der Wirtschaftswissenschaften liegen bei etwa 38.000, Geistes- und Sozialwissenschaftler*innen liegen bei ca. 30.000 Euro.
Studieren wird auch im höheren Alter immer attraktiver – gibt es eine Altersgrenze für anschließende Traineeships?
Auch Bewerber*innen im höheren Alter haben durchaus eine Chance auf einen Trainee-Platz. Hier hilft das Bewusstsein, dass die Mehrheit der Konkurrenten um die Trainee-Stelle vergleichsweise jung ist. Das mindert nicht zwangsläufig die Chancen älterer Bewerber*innen. Man sollte jedoch den Fokus auf die Fähigkeiten legen, die einen älteren Bewerbenden ausmachen: Mehr Berufserfahrung, evtl. sogar im Ausland, mehr Selbstsicherheit im beruflichen Umfeld oder konkrete berufliche Erfolge.
Krisenintervention: Was tun, wenn's so gar nicht läuft?
Ist die Situation nicht zufriedenstellend, sollte man zeitnah mit dem bzw. der Vorgesetzten, Betreuenden oder der Personalabteilung in Verbindung treten. Dann heißt es: offen und ehrlich ansprechen – was nervt einen, warum ist das so und wie kann man es ändern. Egal, ob es um fachliche oder persönliche Mängel geht, die wichtigste Feedback-Regel lautet: Wer Kritik übt, bleibt sachlich. Keine pauschalen Vorwürfe, die wie persönliche Angriffe wirken. Die meisten Unternehmen bleiben nach einem solchen Gespräch nicht untätig. Besonders nicht, wenn man schon konkrete Verbesserungsvorschläge einbringt. Die Investitionen in ein Trainee-Programm sind viel zu hoch, um eine*n Trainee unzufrieden und unmotiviert »zurück zu lassen« – schließlich möchte man ja mit dem Programm die Nachwuchskräfte von morgen an sich binden. Ist man an ein schwarzes Schaf geraten, was die Trainee-Firma angeht, merkt man das spätestens an der Reaktion auf die Kritik am Trainee-Programm. Sehen die Firmen einen als günstiges Substitut von Vollzeitstellen, wird sich nach dem Feedback-Gespräch nichts ändern. Dann kann und sollte man sich aktiv auf dem Arbeitsmarkt nach Alternativen umsehen und Konsequenzen ziehen, sobald sich vielversprechende Perspektiven auftun.
Von welchen Traineeprogrammen raten Sie persönlich ab? Wie erkennen Absolvent*innen »schwarze Schafe«?
Es gibt durchaus Firmen, die Trainee-Stellen als billigen Ersatz für Vollzeitstellen missbrauchen. Absolvent*innen sollten auf folgende Qualitätskriterien für gute Trainee-Programme achten: Erstens: Trainee-Programme sind elementarer Bestandteil des Talent- und Nachfolgemanagements des Unternehmens und auf eine langfristige Zusammenarbeit in einer Experten- oder Managementfunktion ausgerichtet. Zweitens: Trainees übernehmen im Unternehmen von Beginn an verantwortungsvolle Aufgaben und werden dabei von erfahrenen Führungskräften unterstützt. Drittens: Trainees durchlaufen mehrere Unternehmensbereiche, absolvieren fortlaufend Lernmaßnahmen und sind aktiver Bestandteil des Unternehmensnetzwerks. Viertens: Vergütung und Dauer stehen in einem sinnvollen Verhältnis zu den Lerninhalten und Entwicklungszielen. Fünftens: Die Qualität des Trainee-Programms wird durch interne und externe Evaluationsmaßnahmen sichergestellt.
Stefan Rippler ist selbstständiger Journalist, Berater, Bestseller-Autor und Papa. Nach leitenden Positionen in Medienkonzernen wie Bauer Media oder Axel Springer liegt sein Schwerpunkt als Autor auf Karriere-Themen. Als Berater fokussiert er sich auf Change und Führungskräfte-Coaching.
Dr. Branko Woischwill ist Karriere-Berater bei Hesse/ Schrader, Bestseller-Autor und hat an der Freien Universität Berlin zum Thema Vertrauen promoviert.