Studienabbruch: Entscheidungshilfe und Ratgeber
Studienabbruch: Wenn das Studium plötzlich nicht mehr überzeugt. Wie du die richtige Entscheidung triffst: Mit Herzblut, Kopfarbeit und Bauchgefühl.
Insgesamt brechen in Deutschland mehr als 20 Prozent, in manchen Fächern und Jahren sogar über 30 Prozent der Studierenden ihr Studium ab. Gerade bei einer späten Erkenntnis des ›falschen Studiums‹ hat man oft schon viel Zeit, Mühe und Geld investiert. Zudem erschüttert der Ausblick ›Zurück auf Los‹ die Selbstsicherheit.
Und sofort stellt sich die Frage:
Was ist stattdessen das richtige Studienfach für mich?
Das Risiko einer weiteren falschen Wahl, eventuell teure Umzüge, das Verlassen eines vertrauten Umfeldes, das Gefühl zurückgeworfen und zu alt zu werden für den Arbeitsmarkt – all dies sind Sorgen, die schlaflose Nächte bescheren können. Es steht also einiges auf dem Spiel. Aber: Ein Studienabbruch muss kein Beinbruch sein. Außerdem kann mit einem gut gewählten Neustart auch viel gewonnen werden. Entscheidend ist zu erkennen, ob Zweifel oder Unzufriedenheit nur ›einer Laune entspringen‹ oder grundlegender Natur sind.
Studienabbruch: Checkliste mit Fragen zur Entscheidungsfindung
Wenn du Zweifel an der Wahl deines Studienfachs hast, solltest du die Ursache dafür genau ergründen, denn Verdrängung verschiebt die Problematik nur in die Zukunft.
- Nimm dir einige Zeit – maximal ein bis zwei Semester – um dich selbst genau zu beobachten:
Treten Frust, Stress, Ängste oder Unzufriedenheit besonders auf, wenn du an der Uni bist, an das Studium denkst, lernst oder dich mit Fachthemen beschäftigst? Oder gibt es andere Ursachen? Auch Beziehungsprobleme, Heimweh, Einsamkeit oder ein belastender und zeitaufwendiger Nebenjob können die Freude am Studium trüben. Sind solche Belastungen zu hoch, empfiehlt sich vielleicht eine Studienpause, aber kein vorschneller Abbruch. - Wann tritt die Unzufriedenheit auf?
Konstant über einen längeren Zeitraum beziehungsweise wiederkehrend? Ist dies nicht der Fall und die Unzufriedenheit ist nur vorübergehend, handelt es sich oft tatsächlich nur um eine Laune. - Hängt die Unzufriedenheit mit einem speziellen Fachthema oder mit dem Studienfach allgemein zusammen?
Auch im tollsten Studium macht nicht alles Spaß. Zum Beispiel findet im Psychologiestudium der erste Statistikkurs zumeist nur wenige Fans. Das muss aber nicht heißen, dass das Studienfach generell nicht passt. Manchmal vermiest ein strenger Dozent den Studienspaß. Oder man hat sich durch zu viele Kurse und Hausarbeiten selbst überfordert. Hier sind Enttäuschungen vorprogrammiert. Dies alles sollten aber keine hinreichenden Gründe sein, ein Studium abzubrechen. - Sind tatsächlich die Studieninhalte oder ›nur‹ Aspekte wie Leistungsdruck und schlechte Noten Auslöser von Frust und Studienzweifeln?
Dem einen hilft es, sich dann etwas weniger ehrgeizige Ziele zu setzen. Für einen anderen kann die Erkenntnis hingegen lauten, schlicht und einfach mehr zu lernen. Durch einen Wechsel des Studienfachs lösen sich diese Probleme nicht. Hier muss die generelle Einstellung zum Studieren geändert werden. Es kann letztlich auch heißen, dass das Problem im ›System Uni‹ begründet liegt: Dann kann ein strukturierteres Studium an der FH oder Berufsakademie mit mehr Praxis helfen. Oft gelingt das gleiche Fach dann besser und macht auch wieder Spaß.
Studienabbruch: Liegt's am Studienfach?
Auch wenn du all diese Fragen für dich beantwortest hast und sich abzeichnet, dass deine Unzufriedenheit tatsächlich im Studienfach begründet liegt, solltest du keine übereilten Entscheidungen treffen. Kläre stattdessen in Ruhe noch einmal diese Fragen für dich:
- Gefällt mir noch immer das mit dem Studium verbundene Berufsbild?
Freue ich mich darauf, diesen Beruf zu ergreifen? Wenn ja, kann es sich lohnen, die Zähne doch noch bis zum Abschluss zusammen zu beißen. Allerdings solltest du dich fragen, ob wirklich du selbst Freude an diesem Beruf hättest, oder ob du diesen nur anstrebst, weil er gesellschaftlich oder von anderen geschätzt wird. Zur Klärung dieser Frage ist große Ehrlichkeit dir selbst gegenüber gefragt! - Habe ich schon zu viele Semester hinter mir, sodass ich besser das ungeliebte Fach fertig studiere, um zumindest einen Abschluss zu haben?
In Deutschland wird nach wie vor viel auf Abschlüsse geachtet. Besonders wenn man schon auf der Zielgeraden seines Studiums ist, also in den letzten Semestern oder bei der Abschlussarbeit, lohnt es sich durchzuhalten. Selbst für einen Beruf in einem anderen Bereich können sich die Chancen durch einen fachfremden, aber vorzeigbaren, Studienabschluss deutlich verbessern. Damit beweist man zukünftigen Arbeitgebern, dass man Durchhaltevermögen hat und Dinge abschließt. Vielleicht ist dann noch Zeit für ein anderes grundständiges oder alternatives Master- oder Aufbaustudium. - Nach erst einem oder wenigen Semestern lohnen sich ein schneller Studienfachwechsel und Neuanfang umso mehr.
Dann solltest du deine Unzufriedenheit nicht lange mit dir rumtragen. Sich hier aus Versagensgefühlen, Angst vor Veränderung oder Bequemlichkeit etwas vorzumachen, kostet wertvolle Zeit.
Worauf es nach dem Studienabbruch beim Studienwechsel ankommt
Du hast dich entschieden und möchtest dein Studienfach tatsächlich wechseln. Wie geht es jetzt weiter? Eine gründliche Information über angedachte Studiengänge und Berufsziele, der Erwerb erster Erfahrungen und praktischer Eindrücke sind essentiell. Vorlesungsbesuche, ein Kurzpraktikum im angedachten Berufsfeld, das Lesen von Literatur zu Fächern und Berufen, sowie Gespräche mit Dozenten, Berufspraktikern und Kommilitonen sind unerlässlich, um Schnellschüsse und unfundierte Entscheidungen zu vermeiden.
Was gibt es beim Studienabbruch noch zu beachten?
Bevor du den Studienfachwechsel angehst, solltest du dich über mögliche Auswirkungen informieren. Ein Fachwechsel ab dem 3. Semester oder später kann zum Beispiel den Verlust des BAföG-Anspruches bedeuten, eine vorschnelle Exmatrikulation unter Umständen den Verlust des studentischen Krankenversicherungstarifs.
Stattdessen sollte man sich möglichst übergangslos in das neue Fach einschreiben. An der gleichen Hochschule ist dafür oft die rechtzeitige Semesterrückmeldung wichtig; ansonsten ist der interne Wechsel meist mit wenig Aufwand möglich. Beim Wechsel in zulassungsbeschränkte Studiengänge und/oder eine neue Hochschule steht leider oft die komplette Neubewerbung mit allen Formalitäten an. Grundsätzlich lohnt es sich zu überprüfen, ob man sich bereits erworbene Studienleistungen anrechnen lassen kann.
Wer kann bei bleibender Unsicherheit helfen?
Und wenn alles nichts hilft und du auch nach eingehender Recherche und ersten praktischen Erfahrungen weiterhin unsicher bist, welches Studium und welche Berufe zu dir passen: Dann kann die Unterstützung durch einen professionellen Berufs- und Studienwahl- oder Laufbahnberater helfen. Dieser sollte optimalerweise eine nachweisbare, wissenschaftlichpsychologische Ausbildung und Expertise in der Potenzialdiagnostik – zum Beispiel beim Durchführen von Fragebögen und Tests – sowie vertiefte Kenntnisse über den Bildungsund Arbeitsmarkt und fundierte Beratungserfahrung besitzen.
Zum Autor
Dr. Philipp Benden ist Psychologe und Karriereberater. Bei der Rundstedt Young Academy begleitet er junge Menschen bei der Berufs- und Ausbildungswahl und gibt Tipps für den strategisch richtigen Einstieg in den ersten Job. Weitere Informationen unter www.young-academy.de