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Law Goes Digital

Jura 4.0 starts with Legal Tech – Freshe Start-ups & zukunftsweisende Studien

 

Was haben eigentlich Hasen mit der Rechtswissenschaft zu tun? Der wohl bekannteste Hase aus der Juristik hat uns das Sprichwort »Mein Name ist Hase, ich weiß von nichts« beschert: Der Jurastudent Victor von Hase äußerte diesen Satz 1855 als er sich vor Gericht zu einem Strafprozess äußern sollte. Gut möglich ist, dass Studierende der Rechtswissenschaften in Zukunft auch mit dem Karnickel des folgenden Leitsatzes konfrontiert werden: »Wenn ein Jäger am Hasen einmal links und einmal rechts vorbeischießt, dann ist der Hase im Durchschnitt tot. Das ist Statistik.« Hase + Statistik = Jura-Studium? Korrekt! Die Analyse »Legal Tech in der juristischen Ausbildung«, von Prof. Heribert Anzinger in Zusammenarbeit mit der Friedrich Naumann Stiftung, widmet sich der Frage, wo denn die Zukunft des Rechts liegt: Untersucht wurden die Ausbildungsinhalte von mehr als 50 deutschsprachigen Fakultäten mit dem Studienergebnis, dass Legal Tech rechtsgebietsübergreifend Einfluss auf das Berufsbild des Juristen und dessen allgemeinen Anforderungen nehmen könnte. Als Handlungsempfehlung nennt die Studie vor allem die Aufnahme von »statistischen Methoden der Data Science und die technischen Grundlagen von ›Legal Tech‹« in die juristische Ausbildung. Statistik sei die Basis vieler Legal Tech-Anwendungen, erklärt die Studie, und die Anwender und Anwenderinnen der neuen Technologien müssen deren Funktionsweisen verstehen, um beispielsweise mögliche Schwächen einschätzen zu können. Für die Eingliederung von statistischen Grundlagen in das Studium der Rechtswissenschaften spreche außerdem, dass sich statistische Methoden schwer in der Praxis erlernen ließen und bei der Anwendung von Legal Tech Tools nicht vermittelt werde. Gerade im Vergleich mit anderen Ländern habe Deutschland bereits jetzt Handlungsbedarf, um weiterhin wettbewerbsfähig zu bleiben, so Anzingers Studie.

Als gutes Beispiel voran geht die Uni Passau, an der seit Oktober 2020 der Bachelorstudiengang »Legal Tech« angeboten wird. »Inhaltlich geht es neben dem klassischen Jurastudium vor allem um Inhalte aus der Wirtschaftsinformatik, des Rechts der Digitalisierung und des praktischen Berufsrechts«, erklärt Prof. Michael Beurskens vom Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Deutsches, Europäisches und Internationales Wirtschaftsrecht. Der zum 1. April 2023 neu angebotene Masterstudiengang »Rechtsinformatik« behandele dem gegenüber fast ausschließlich technische Fragestellungen und den damit verbundenen rechtlichen Folgen, so Beurskens weiter: »Im Vordergrund steht dabei der Nutzen für die Praxis – so dass neben Professor:innen aus der Informatik und der Rechtswissenschaft auch Anwälte, Unternehmer und Personen aus IT-Abteilungen zu Wort kommen.«

Die Digitalisierung im juristischen Bereich hat vor allem bei der Automatisierung von Rechtsdienstleistungen Einzug gehalten – die folgenden Legal Tech Start-ups zeigen, wie es geht.

JUPUS – Intelligente Mandatsaufnahme

Das intelligente Tool zur Mandatsaufnahme empfängt den potenziellen neuen Mandanten auf der Webseite. Mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz erkennt JUPUS, welches Anliegen der Kunde hat und fragt direkt spezifische Unterlagen an – für den Kunden berechnet der Bot beispielsweise wichtige Fristen und fragt relevante juristische Fragen ab. Auf Grundlage der gesammelten Daten kann die Kanzlei auf der anderen Seite entscheiden, ob sie das Mandat aufnimmt. Das deutsche Start-up der Gründer René Fergen, Tarek Stolz und Ralf Riesen wurde 2022 mit dem Gründungsstipendium »Start.in.RLP« ausgezeichnet. Auf ihrer Instagram-Seite @jupus_law beschreiben die Gründer ihre Idee folgendermaßen: »In den letzten 12 Monaten haben wir mit über 100 Anwaltskanzleien gesprochen und Interviews geführt, davon mit einigen intensiv zusammengearbeitet. Wir haben außerdem hunderte Privatpersonen zu ihrem Verhalten im Falle eines Rechtsproblems und dem Kontakt zu Rechtsanwälten befragt. Anhand dieser Daten konnten wir erkennen, dass viele Anwälte darüber mutmaßen, was (ihre) Mandanten wollen – es aber schlichtweg nicht wissen (und meist auch noch nie einen Mandanten danach gefragt haben). Gleichzeitig konnten wir feststellen, dass Kanzleien, die – bewusst oder unbewusst – auf einen bestimmten Punkt Wert legen und eine gewisse Struktur dementsprechend aufbauen, wirtschaftlich besonders erfolgreich sind. Ein klarer Wettbewerbsvorteil. Um diesen Wettbewerbsvorteil in einem Produkt zu formen und weiteren Kanzleien anzubieten, haben wir JUPUS entwickelt.«

heyJura – Dein individuelles juristisches Lern-Skript

»Das Jura-Studium ist eine unglaublich harte Nuss. Knapp 80 Prozent der Studierenden sagen – und dem kann ich nur zustimmen – dass die Berge an Wissen, die man sich in kurzer Zeit aneignen muss, dass eigentlich große Problem des Studiums sind. Was mich persönlich während meines Repetitoriums 2016 – 2017 am meisten ärgerte, war der Rechercheaufwand. Im Grunde wollte ich schnell genau das finden, was ich gerade lernen wollte. Texte, Meinungsstreits und alle dazugehörigen pro- und contra-Argumente, so verfasst, dass ich sie unproblematisch verstehen kann und nicht noch weitere fünf Bücher aufschlagen muss. Oft hätte ich mir gewünscht, dass Lehrbücher eine Strg-F-Taste gehabt hätten. Fehlanzeige. Und deshalb setzen wir bei heyJura genau an dieser Stelle an. Wir bieten Studierenden die Möglichkeit ganz einfach und schnell nach Definitionen und Schemata vom ersten Semester bis zum ersten Staatsexamen zu suchen. Das macht Fallbearbeitungen deutlich einfacher. Und das Schönste kommt erst noch: Alle Dokumente lassen sich bündeln und als eine angenehm formatierte PDF herunterladen. Studierende erhalten ihr eigenes maßgeschneidertes Skript, zu alldem, was sie gerade lernen möchten. Keine ewig langen Recherchen in der Bib, keine dubiosen Foren, die nur die Hälfte von dem beantworten, was man sich erhofft hat und kein Geld mehr für überteuerte Lehrbücher ausgeben müssen. Da sich das eigene Skript auch unproblematisch ausdrucken lässt, können alle analogen Lernfreunde dies gerne tun, um darauf ihre Notizen zu machen. Alle anderen bearbeiten das Skript beispielsweise auf dem iPad. P. S.: Unsere Schemata sind selbstverständlich so verfasst, dass sie wirklich jeder verstehen kann. Keine langen verschachtelten Sätze und kein sprachliches Hochreck. Jura soll doch Spaß machen, oder?« Jackson Adewale, Gründer heyJura

 

meinBafög – Deutsches Antragswesen digital

Antragsdschungel adé – das Legal-Tech Start-up »meinBafög« der drei Gründer Philip Leitzke, Alexander Rodosek und Pascal Heinrichs hilft dir beim Ausfüllen der Antragsformulare für deine Studienfinanzierung – ganz digital. »Wir hatten die Idee zu meinBafög zu Beginn unseres Studiums, als wir uns selbst mit dem Thema Studienfinanzierung und BAföG auseinandergesetzt haben. Der zündende Gedanke kam damals von Pascal, der vor seinem BAföG-Antrag saß und sich gefragt hat, warum das Ganze nicht digital und einfacher geht. Wir drei hatten alle gerade eine Ausbildung im IT-Bereich abgeschlossen und waren überzeugt davon, dass man hier etwas bewegen und für viele Studierende deutlich verbessern kann. Heute können wir uns über stetig wachsende Nutzerzahlen freuen!«, erklärt Co-Founder Philip Leitzke im Interview mit mkg-jura-studis.de. Die Anmeldung zum Portal kostet dich jedoch ein paar Taler, dafür gibt es aber auch satte Zeitersparnis – die BAföG-Antragstellung solle nur rund 30 Minuten dauern, so die meinBafög-Gründer. Damit die Anträge auf der Seite des Legal-Tech Start-ups auch wirklich korrekt sind, haben die drei Gründer nachgefragt: »Wir haben immer wieder Rücksprache mit diversen Ämtern oder auch mit dem größten Studierendenwerk in Deutschland, dem Kölner Studierendenwerk, gehalten. Gerade dort liegt natürlich die Expertise in der Abwicklung und Auswertung der BAföG-Anträge. Wir konnten so neben der rein juristischen Perspektive auf das Thema auch noch ein paar Einblicke in den Ablauf beim Amt bekommen.«

RightNow – Verkaufe dein Problem!

»RightNow entstand Ende 2016 aus einer persönlichen Erfahrung heraus. Es ist so, dass Passagiere, die einen Flug nicht antreten, einen Anspruch auf die Erstattung der gezahlten Steuern und Gebühren haben. In den wenigsten Fällen wird dieser Anspruch jedoch durchgesetzt. Mir selbst erging es so, dass die betroffene Fluggesellschaft meine rechtmäßige Forderung abgewiesen hat. Daraufhin habe ich Klage eingereicht und diese auch gewonnen. Und aus diesem Erlebnis heraus, entstand in Zusammenarbeit mit Phillip Eischet und Dr. Torben Antretter die Idee für RightNow. Das Konzept ist, die Forderung des Verbrauchers abzukaufen: Wir zahlen dem Verbraucher einen Teil des Anspruchs sofort zurück, nehmen den Rechtsanspruch dann auf unsere Bilanz und setzen ihn in unserem Namen auf eigene Rechnung durch. Seit den Anfängen von RightNow haben wir neben Flugstornierungen weitere Rechtsbereiche, beispielsweise Netflix-Rückerstattungen, in unser Portfolio aufgenommen. Unser Team ist von anfangs drei auf knapp 50 Mitarbeiter angewachsen und wir haben neben unserem Stammsitz in Düsseldorf noch einen TechHub in Berlin aufgebaut. Unterstützung suchen wir vor allem immer in unserer Growth-Abteilung. In dieser werden neue Produkte entwickelt. Die Zukunftsaussichten im Legal Tech-Bereich allgemein sind auf jeden Fall sehr gut und ich kann jedem empfehlen, in diesem Bereich einzusteigen.« Dr. Benedikt Quarch, Co-Founder & Managing Director RightNow

 

Legal Tech Verband Deutschland e. V.

»Wir ebnen den Weg für Digitalisierung und Innovation auf dem deutschen Rechtsmarkt«, so lautet der Slogan des Legal Tech Branchenverbands. Geschäftsführerin Valerie Keilhau erklärt die Vielseitigkeit des Bereichs: »Legal Tech ist ein weites Feld. Dementsprechend sind auch die beruflichen Möglichkeiten extrem vielfältig. So ist beispielsweise ein Einstieg als Rechtsanwalt oder Rechtsanwältin in einer Kanzlei möglich, die sich auf durch Legal Tech gestützte Fälle spezialisiert hat. Auch in Rechtsabteilungen spielt Legal Tech eine immer größere Rolle. Wer nicht in eine Kanzlei möchte, kann auch zu einem sog. Legal Tech-Unternehmen. Diese reichen vom Startup bis hin zu bereits lang etablierten Legal Tech-Anbietern.« Besonders gut geeignet für Legal Tech Anwendungen seien skalierbare und technologiegestützte Rechtsdienstleistungen, fährt die Expertin fort, dazu gehören beispielsweise Massenverfahren, Document Reviews bei umfangreichen Transaktionen, Umstrukturierungen oder internen Untersuchungen. Verbandsmitglied und CEO bei Talentrocket, Sebastian von Glahn, sieht per se ein großes Potenzial im Legal Tech Bereich: »Momentan sind die Legal Tech Stellen noch überschaubar. Dies hängt damit zusammen, dass viele Geschäftsmodelle noch in der Erprobung stecken. Es wird noch mehr Stellen geben, wenn der Legal Tech Markt und die dahinter stehenden Unternehmen wachsen.« Das Risiko, dass »echte« Menschen – überspitzt formuliert – im Rechtsbereich bald überflüssig seien, sehe der Experte aber nicht: »Auf der einen Seite werden Recherche-Aufgaben oder das Erstellen von Dokumenten immer mehr digitalisiert. Dadurch werden bearbeitende Aufgaben geringer. Hier könnten Stellen wegfallen. Allerdings ist gerade in einer immer digitalisierteren Welt der Beratungsaspekt der Jurist*innen wichtiger denn je. Hier sehe ich sogar eine steigende Nachfrage.«

secjur – digital trust

»secjur wurde gegründet, um die Probleme von Unternehmen im Bereich Compliance so effizient wie möglich wegzuräumen. Unternehmen sollen sich auf Wachstum konzentrieren können, aber gleichzeitig mit unserem Support in der Lage sein, konform zu agieren. Konkret haben wir eine KIbasierte Automatisierungsplattform für Compliance gebaut, das Digitale Compliance Office. Damit ermöglichen wir Unternehmen, aktuell in den Bereichen Datenschutz, Informationssicherheit und Whistleblowing, mit maximaler Effizienz compliant zu werden. Die Branche allgemein, halte ich für eine der spannendsten Zukunftsmärkte überhaupt. Die Demokratisierung des Rechts für Verbraucher hat Legal Tech meines Erachtens in den letzten Jahren den Weg zu einem breiteren Publikum geebnet. Nun erwarte ich eine gewaltige Welle von neuen Unternehmen und Tools im Bereich B2B-Legal-Tech. Dies wird unter anderem eine Disruption des Beratungsmarktes zur Folge haben. Junge Menschen, die aktuell im Bereich Legal Tech Fuß fassen wollen, haben die Möglichkeit, zur Generation von Vorreitern in einer disruptierenden Branche zu gehören und diese kreativ mitzugestalten. Was will man mehr? Die Anzahl der Einstiegsmöglichkeiten wächst rasant. So bieten nicht nur mittlerweile alle größeren Kanzleien in mehr oder weniger großem Umfang eigene Bereiche für Legal Tech. Vielmehr gibt es auch Anbieter, deren Business Case ausschließlich Legal Tech ist und die diesen Bereich daher natürlich nochmals viel radikaler denken. Ich empfehle jedem Studierenden, nicht nur in Gerichten, Behörden und Kanzleien Praktika zu machen, sondern möglichst früh bei einem Anbieter für Legal Tech reinzuschnuppern. Gleiches gilt natürlich für das Referendariat. Wer Interesse hat, kann sich übrigens gerne bei mir melden ;-).«  Simon Pentzien, Co-Founder & COO secjur

 

Legal Tech University – Von den Besten lernen

»Im Rahmen eines bundesweit einzigartigen Formats wollen wir Studentinnen und Studenten die Möglichkeit geben, sich jederzeit und überall mit der Zukunft der Rechtsbranche zu beschäftigen. Mit einer kostenfrei nutzbaren Lernplattform soll das universitäre Lehrangebot ergänzt und wichtiges Grundlagenwissen zum Thema Legal Tech vermittelt werden. Dazu bringen wir die führenden Expertinnen und Experten aus Kanzleien, Rechtsabteilungen, Universitäten, Gerichten und Startups zusammen«, erklärt das Start-up auf seiner Insta-Seite @legaltech.university. Initiiert wurde die Legal Tech University von Studierenden für Studierende. Die Lernplattform ist seit August 2022 online und steht seitdem allen Interessierten kostenfrei zur Verfügung, denn Legal Tech, eJustice und Co seien nicht nur für einen Großteil der Studierenden Fremdwörter, sondern auch vielen Berufsträgern eine große Unbekannte. Zum Lehrplan der Legal Tech University gehören Einheiten zu Legal Tech, der Digitalisierung des Rechts sowie einer Reihe von Praxisbeispielen und Tools. Diese Kurse sollen das universitäre Lehrangebot ergänzen und »Kompliziertes einfach erklären«, so ein Slogan des Start-ups. Vorkenntnisse benötige man aber nicht, denn der Kurs richte sich gleichermaßen an Einsteiger wie Fortgeschrittene und berücksichtige den individuellen Wissensstand der Teilnehmer. Ziel sei es, einen möglichst umfassenden Blick in die verschiedenen Teilbereiche zu werfen und den Einstieg in das Thema »Digitalisierung der Rechtsbranche« zu erleichtern. Die durchschnittliche Bearbeitungszeit des Kurses liegt laut Webseite bei sechs Wochen – an deren Ende man ein Zertifikat erhält.


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