Nach dem Duschen die leere Shampooflasche, nach dem Frühstück der Joghurtbecher, das Bahnticket, der Kassenzettel von gestern, Alufolie und Papiertütchen vom Mittags- Döner, das Versandpäckchen der Online-Bestellung, das leere Glas Tomatensoße und die Nudelverpackung nach dem Abendessen und später noch die Chipstüte kurz bevor es ins Bett geht. Innerhalb eines Tages verursacht jede*r von uns jede Menge Müll. Im Jahr summiert sich das pro Kopf auf circa 457 Kilogramm, zeigen die Daten des Statistischen Bundesamtes aus 2019. Allein Verpackungen nehmen hierbei 72 Kilogramm ein – also Kunststoff, Glas oder Papiermüll, der getrennt vom Restmüll entsorgt und somit recycelt wird.
Trotz, im europäischen Vergleich, relativ hoher Recyclingquoten wird auch in Deutschland nicht alles wirklich wiederverwertet. Beim Verpackungsmüll liegt die stoffliche Verwertungsquote – also das, was man sich gemeinhin unter Recycling vorstellt – bei 74 Prozent, die restlichen 26 Prozent werden energetisch verwertet, ergo verbrannt und teilweise zur Energiegewinnung genutzt. Vor allem Glas, Papier und Karton lassen sich relativ leicht und häufig in den Stoffkreislauf zurückführen und kommen auf Quoten von 83, beziehungsweise 88 Prozent. Pickt man sich die Kunststoffe heraus, sieht die Ausbeute magerer aus. Hier wird über die Hälfte thermisch verwertet und nur knapp 47 Prozent werkund rohstofflich genutzt (Umweltbundesamt 2019). Eine der wichtigsten Voraussetzungen für effizientes Recycling ist die Qualität des Abfalls sowie dessen sortenreine Trennung. Denn je höher die Qualität des recycelten Materials ist, desto häufiger und vielfältiger kann das daraus gewonnene Rezyklat eingesetzt werden. »Wer geschlossene Wertstoffkreisläufe ermöglichen will, muss noch vor dem ersten Schritt einer Skizze für ein neues Produkt dessen gesamten Lebenszyklus mitdenken«, fasst es Lukas Österle, Sustainability Communications Manager bei ALPLA zusammen. Das österreichische Unternehmen setzt bei seinen Verpackungslösungen gezielt auf deren Recyclingfähigkeit. Dabei kommen zum Beispiel Fragen nach Materialart, Restentleerung oder Sortierfähigkeit zur Sprache. Gleichzeitig müssen die Verpackungen noch praktisch, sicher und transportabel sein. Dafür sorgen bei ALPLA zum Beispiel Innovation Design Engineers, Innovation Manager, Product Design Engineers oder Technical Project Engineers. Zentral ist es, einen möglichst hohen Anteil an Recyclingmaterial in die Verpackung zurückzubringen und, so Österle, durch die optimierte Sammlung und Sortierung langfristig keine einzige recyclingfähige Verpackung in der Umwelt enden zu lassen.
Zum Beispiel sind bis zu elfschichtige Folien, wie sie für eingeschweißtes Fleisch benutzt werden, in den Verwertungsanlagen unmöglich zu trennen und werden daher aussortiert. Genauso verhält es sich mit dünnen Papierbeschichtungen auf Kunststoffverpackungen. Sogar die Farbe des Plastiks beeinflusst dessen Recyclingfähigkeit: Schwarze Kunststoffe werden von vielen Scannern nicht erkannt und generell kann aus dunklem Material später nur noch dunkleres werden, weshalb sich die Einsatzmöglichkeiten begrenzen.
Auch für uns Verbraucher*innen gilt: Je genauer getrennt wird, desto mehr und besser kann recycelt werden. Aluminiumdeckel also vom Joghurt abreißen und Papierbanderolen separat ins Altpapier. „Der Idealfall ist, dass der Joghurtbecher vom Material her so homogen wie möglich ist“, erklärt Felicitas Vieweg, technische Assistentin bei ALBA Recycling GmbH. Denn die Sortieranlage kann eine Verpackung nicht mechanisch in ihre Bestandteile trennen – auch nicht mit modernster Technik.
Unter der Voraussetzung, dass die verschiedenen Materialien voneinander getrennt im gelben Sack bzw. der gelben Tonne landen, lässt sich der Kunststoffabfall dann beinahe vollständig sortenrein trennen. In Marl, der modernsten Sortieranlage von ALBA, in der auch Vieweg arbeitet, funktioniert das bereits vollautomatisch. Das Ziel sei in allen Geschäftsbereichen, den Prozess so smart zu machen, damit der Mensch so wenig wie möglich eingreifen muss, erklärt die Umweltingenieurin. So müssen zum Beispiel keine Sortierer*innen mehr am Band arbeiten, sondern Roboter picken Störstoffe aus dem angelieferten Material, die nicht für das Recycling geeignet sind. Außerdem erfassen sogenannte Nah-Infrarot-Trenner den gesamten Materialstrom, damit die Einstellungen der Anlage optimiert werden können. Nachdem der Verpackungsabfall in der Siebtrommel nach Größe sortiert wurde und sogenannte Ballistik-Separatoren zweidimensionale Objekte wie Folien von 3D-Material wie Shampooflaschen getrennt haben, folgt nach dieser quantitativen die qualitative Trennung. »Man versucht jetzt, die einzelnen Fraktionen aufzubereiten«, erklärt Vieweg, also möglichst genau nach Materialart zu trennen. Erst zieht ein Überbandmagnet ferromagnetische Materialien aus dem Materialstrom und in späteren Schritten werden die einzelnen Kunststoffsorten nacheinander auch hier durch Nah-Infrarot-Trenner aussortiert. »Dabei nehmen Kameras das reflektierte Licht von einem Objekt auf und messen die Wellenlänge. Diese ist je nach Material unterschiedlich und so erkennt die Maschine, um welchen Kunststoff es sich handelt«, erklärt Vieweg. Direkt dahinter schießt Druckluft das passend identifizierte Objekt aus dem Materialstrom heraus, der Rest rauscht auf dem nächsten Förderband weiter zum nächsten Infrarot-Trenner, der eine andere Kunststoffart aufs Korn nimmt.
Am Ende des Sortierprozesses haben Vieweg und ihre Kolleg*innen also viele hochqualitative und reine Fraktionen, die schließlich zu Ballen verpresst und and die Verwerter weitergegeben werden. So entsteht aus der Shampooflasche ein Rezyklat, woraus neue Produkte hergestellt werden, die im besten Fall erneut recycelt werden. Dieser Stoffkreislauf soll auch in der Smart Recycling Factory im Entsorgungszentrum Pohlsche Heide optimiert werden. Erforscht wird zum Beispiel die Entsorgung von Batterien und Akkus, die Nutzung organischer Abfälle, ressourcenintelligentes Bauen und die Energieeffektivität auf dem Gelände. Immer integriert: Technologien und digitale Lösungen. Zusammen mit Hochschulen und verschiedenen Unternehmen sollen so Strategien zur Ressourcenschonung und -Wiederaufbereitung entworfen werden. Was heute an Müll deponiert wird, könnte in naher Zukunft übrigens vielleicht nochmal recycelbar sein. Auf der ›Deponie der Zukunft‹ werden Schadstoffe also ebenfalls nach Materialart getrennt – in der Hoffnung, dass diese zukünftig als Rohstoffquelle nutzbar werden.