Unterhält man sich mit Tayyar Bayrakci, merkt man, was Erfindergeist bedeutet. Mit Begeisterung und Umsetzungsdrang erzählt er von seinem Projekt »CyFract«, das möglicherweise schon bald einen enormen Beitrag zur Wasserversorgung leisten könnte. In einem Labor-Container mitten in München entwickelt Bayrakci »CyFract« – eine smarte Röhre, die bei der Reinigung von Wasser eingesetzt werden kann. Auch wenn in diesen Tagen hauptsächlich zum Sparen von Energie aufgerufen wird, sollte nicht vergessen werden, dass auch Wasser ein äußerst schützenswertes Gut ist und gleichzeitig von technischen Entwicklungen beherrscht werden muss, denn: Mal fehlt es uns, mal haben wir viel zu viel – immer dann, wenn uns eine Überschwemmung heimsucht wie zuletzt im Sommer 2021. So vielfältig die Erscheinungsformen dieses lebenswichtigen Elements wirken, so divers sind auch die Einsatzmöglichkeiten für Techniker, die unser Wasser beherrschbarer, sauberer, sparsamer, effektiver und sicherer machen können.
His Tube
Bei »CyFract« sei es allen voran die Sicherheit und Aufbearbeitung des Wassers, die den Gründer Bayrakci umtreibt. Ein Anwendungsbeispiel für die filternde »Smart Tube« ist der Einsatz in der Meerwasserentsalzung. »Im Meerwasser sind unglaublich viele Materialien wie Algen oder verschiedenste Organismen«, erklärt Bayrakci. »Heutzutage werden dort oft Filtertechnologien eingesetzt, die ständig gereinigt und ausgetauscht werden müssen und immens teuer sind. Hier wäre ein sehr relevantes Einsatzgebiet für die ›Smart Tube‹.« Aber auch als zusätzliche Reinigungsstufe in Kläranlagen oder bei Kühlwasser in der Industrie sei ein Einsatz denkbar – eigentlich überall, wo Wasser aufbereitet werden müsse. Filtertechniken gibt es viele. Tayyar Bayrakci will mit seiner »Smart Tube«, deren Entwicklung von der Bundesagentur für Sprunginnovationen SPRIND gefördert wird, die derzeitigen Methoden noch einmal verbessern. »Bei der Smart Tube wird ein Rohr verwendet, das eine sehr spezielle Innengeometrie hat«, erklärt der Ingenieur, »Diese versetzt das Wasser sehr kontrolliert in Rotation. Die Ergebnisse aus der Laborarbeit haben gezeigt, dass es ein entscheidender Faktor ist, wie der Drall dort auftritt.« Ziel sei es, definierte Strömungsbedingungen zu schaffen, sodass Partikel auf der einen Seite schneller überströmt werden, als auf der anderen. Derartige Bedingungen treten auch bei Flugzeugtragflächen auf auf. Es entsteht ein Auftrieb, der die Partikel im Rohr nach außen drängt. Man nutze in diesem Fall nicht die Fliehkraft sondern die Fluid-kraft, so Bayrakci. Noch befindet sich die »Smart Tube« in der Prototypphase und macht sich für die weitere Entwicklung bereit. Dafür – und das gilt für alle wassertechnischen Projekte, die am Beginn stehen – braucht es es erst einmal Machinen- und Anlagenbauer. »Auch das Thema 3D-Druck ist zentral«, sagt Bayrakci, der selbst ausgebildeter Bootsbaumeister und Absolvent der Elektrotechnik ist. Mittel und langfristig werden auch Informatiker wichtig, um Techniken zu entwickeln, welche die Wartung und Reperatur der Röhreninfrastruktur vereinfachen oder automatisieren.
Jung und Fluid
Nicht nur im Entwicklungslabor von »CyFract« wird für das Wasser getüftelt. Tatsächlich sind junge Unternehmen und Start-ups ein großer Treiber für alle Bereiche, in denen Wasser nutzbar gemacht wird. Da gibt es zum Beispiel »heliopas.ai«. Das Start-up aus Karlsruhe rund um die Gründer Ingmar Wolff und Benno Avino entwickelt die App »WaterFox«. Einsatz findet diese in der Landwirtschaft und soll zur smarten Bewässerung von Feldern beitragen. Die heißen Sommer und trockenen Winter stellen sich als großes Problem für die Bauern dar. »WaterFox« verspricht, eine sinnige Handlungsempfehlung für die Bewässerung zu bieten. Entscheidende Faktoren seien dabei der Zustand jeder einzelnen Pflanze, die Art des Bodens sowie die Wetterprognosen, die mithilfe von Satelliten bestimmt werden können. Durch KI wird eine möglichst konkrete, sparsame Gießempfehlung generiert.
Auch für den gegenteiligen Fall, wenn es bei einer Flut zu viel Wasser gibt, können Apps zur Entschärfung beitragen. Einen Beitrag für mehr Sicherheit leisten die Studierenden der HTW Berlin im Fach Umweltinformatik. Im Praxismodul wurde hier ein Programm entwickelt, das frühzeitig vor Hochwassern warnen soll. »Man versucht mit relativ einfachen Methoden, Pegelstandsdaten zu ermitteln und daraus ein Modell zu erstellen, wie sich der Pegelstand in den nächsten Stunden oder Tagen entwickelt, um dann bei Bedarf eine Warnung rauszuschicken«, erklärt der Studiengangsleiter Prof. Jochen Wittmann.
Spring rein!
Hochschulen wie die HTW Berlin zeigen, dass sich Studierende bereits in ihrer Ausbildung mit Umwelttechnik auseinandersetzen können – auch mit einem Schwerpunkt auf Wasser. Prof. Ulrike Gayh leitet an der SRH Hochschule Heidelberg den Master »Water Technology«. »Neben den theoretischen technischen Grundlagen ist es wichtig zu lernen, das Wissen anzuwenden, Zusammenhänge zu erkennen und so effiziente Lösungsstrategien und Techniken der Situation anzupassen und umzusetzen«, erklärt Gayh. »Bereits im Studium in interdisziplinären, internationalen Teams zu arbeiten unterstützt die sozialen und persönlichen Kompetenzen. Dies ist sehr wichtig, weil viele Karrierepfade im Wassersektor ins internationale Umfeld führen.« Karrieremöglichkeiten sieht die Studiengangsleiterin in den unterschiedlichsten Bereichen. »Ingenieure und Informatiker können in Entwicklung und Bau wassertechnischer Produkte und Anlagen tätig sein, sie können aber ebenso bei kommunalen Betrieben oder globalen Unternehmen der Wasserver- und -entsorgung spannende Aufgaben wahrnehmen.« Auch Forschungszentren, Institute und Hochschulen sind dankbare Arbeitgeber für alle, die Lust haben, sich in der Forschung zu verwirklichen. Auch IT-Stellen werden immer stärker besetzt – vor allem beim Thema Sicherheit. »Die Digitalisierung betrifft die Systeme der Wassertechnik genauso wie alle übrigen Bereiche der Technik. Dies führt einerseits zu signifikanten Steigerungen in der Leistungsfähigkeit sowie der Effizienz wassertechnischer Anlagen.« Andererseits, so schließt die Expertin, würden die Systeme angreifbarer und es sei vorstellbar, dass Hackerangriffe wichtige Infrastrukturen der Wasserversorgung lahmlegen. In die sogenannte Resilienz der Anlagen müsse daher ebenso investiert werden. Ein spannendes Tätigkeitsfeld für Informatiker, die für Netzsicherheit sorgen wollen, um – ganz ähnlich wie im Energiesektor – eine wichtige kritische Infrasturktur am Leben zu halten.