Wasser hat viele Gesichter. Es ist für uns alle überlebensnotwendig, hält unsere Natur in Schuss und ist ein wichtiger Energieträger. Gleichzeitig wissen wir auch um die zerstörerische Kraft des Wassers – der Sommer 2021 hat es eindrücklich gezeigt. So vielseitig die Formen des Elements sind, so zahlreich sind auch die beruflichen Möglichkeiten, das Potential des Wassers in vollem Maß auszuschöpfen.
Was mit Wasser
Schulbekanntes Szenario: Es regnet, die Tropfen versickern in den Boden, daraus wird Grundwasser. Dieses nutzen wir für unsere täglichen Bedürfnisse und lassen es gebraucht in die Kanalisation ab. Im Klärwerk wird es gereinigt und fließt anschließend in Bäche, Flüsse, Stauseen und Meere, wo es verdunstet und der Wasserkreislauf von vorn losgeht. An jeder dieser Stationen können engagierte Techniker mit ganz unterschiedlichen Vorlieben zum Einsatz kommen. Der Blick in die Stellenausschreibungen offenbart eine hohe Vielfalt in den Berufen rund um das kühle Nass. So gibt es Jobbezeichnungen vom Wasserbau, über die Wasserwirtschaft, bishin zur Wassertechnologie. Was bedeutet das und wo sind Techniker am besten aufgehoben? Prof. Thorsten Albers lehrt an der Ostfalia Hochschule Wasserbau und Küsteningenieurwesen und bringt Ordnung in die verschiedenen Themenfelder: »Nicht überall, wo Wasser als Trinkwasser oder zur Bewässerung benötigt wird, ist dieses vorhanden. Und umgekehrt ist an anderer Stelle im Falle eines Hochwassers oder Starkregens zu viel Wasser vorhanden. Kommen Baumaßnahmen zum Ausgleich dieses Defizites zur Anwendung, fällt dies in den Bereich des Wasserbaus.« Bei der Wasserwirtschaft hingegen handele es sich um wirtschaftlich planende Aufgaben zur Vermeidung des Defizits. »Technologien zur Optimierung der Nutzung des Wassers wie zum Beispiel Aufbereitung, Reinigung oder Bewässerung, werden in der Wassertechnologie zusammengefasst «, erklärt Professor Albers. Die Arbeit für Ingenieurbegeisterte kann dadurch in vielen Bereichen stattfinden. Schon allein im Fall des Wasserbaus wird man sowohl im Büro eingesetzt, wo über die Statik und Modellierung entschieden wird, als auch ganz praktisch auf der Baustelle, wenn Staudämme, Kanäle oder Häfen errichtet werden. Studientechnisch geht die Karriere am besten in der Bau- oder Umweltingenieurwissenschaft los – wenn man mittlerweile nicht sogar eine Uni findet, die Wasseringenieurwesen oder Hydro Science and Engineering anbietet.
Der digitale Fluss
Der Begriff »Industrie 4.0« ist schon lange nichts neues mehr, wenn es um die Modernisierung und Digitalisierung von industriellen Produktionen geht. Aber worum geht es wenn man in mittlerweile zahlreichen Studien von »Wasser 4.0« bzw. »Industriewasser 4.0« liest? Erstmal unterscheiden sich diese Begriffe kaum von der Industrie. Es wird sich bemüht, alle technischen Abläufe, die etwas mit Wasser zu tun haben, möglichst zukunftsfähig und digital zu machen. Prof. Robert Holländer vom Institut für Infrastruktur und Ressourcenmanagement der Universität Leipzig und seine Kollegen haben für das Umweltbundesamt zu den Chancen und Herausforderungen des digitalen Wassers geforscht. »Digitalisierung hilft uns, Prozesse besser ablaufen zu lassen, aufgrund genauerer Daten besser zu entscheiden und Dinge integriert zu betrachten, die wir bisher jeweils gesondert berücksichtigt hatten«, so Professor Holländer. Zu den einschlägigen Baustellen einer Wasserwirtschaft 4.0 gehören dabei unter anderem: »Wirksamere und wirtschaftlichere Kläranlagensteuerung mit KI, Überwachung von Trinkwassernetzen mit digitalen Zwillingen oder auch bessere Vorhersage von Starkregenereignissen durch Kopplung mit Meteorologiedaten.« Im Bericht stellen Holländer und seine Kollegen fest, dass die Wasserwirtschaft als eher »mittelmäßig digitalisiert« gilt. Mehr denn je ist vor allem hier der fehlende Breitbandausbau problematisch. Gewässer fließen auch durch die kleinsten Dörfer. Schnelles Internet auf dem Land ist daher Grundvorsaussetzung für funktionierendes Wasser 4.0. Auch Prof. Thorsten Albers ist sich sicher, dass Informatiker unabdingbar sind, um Wasser in Zukunft sinnvoll zu nutzen: »Nur dadurch kann eine Optimierung der Wassernutzung erfolgen. Diese Entwicklung wird sich mit zunehmendem Druck auf die Wasserwirtschaft durch eine steigende Frequenz und Häufigkeit von Extremereignissen wie Hochwasser und Dürre stetig verschärfen.« Sichere Aussichten also für ITler.
Wandel durch's Klima
Wenn über die Auswirkungen des Klimawandels berichtet wird, dann entweder unterlegt mit Bildern trockener Dürrelandschaften oder Überflutungsgebieten. Immer spielt Wasser eine immense Rolle – mal ist es zu wenig, mal zu viel. Eben darum sind ›Wasser-Jobs‹ ein so zukunftssicheres wie herausforderndes Einsatzgebiet. »Wir werden mit häufigeren und extremeren Ereignissen wie Dürre, Starkregen, Hochwasser und Sturmfluten zu tun haben«, erlärt Thorsten Albers, »es ergeben sich dringende Fragestellungen für Themen wie Wassergewinnung, -aufbereitung und -reinigung. Im Wasserbau werden Küsten- und Hochwasserschutz im Fokus stehen.« Natürlich darf auch die Energieversorgung nicht vergessen werden, denn Wasserkraft und Offshore-Windparks müssen in Zukunft eine noch viel größere Rolle spielen. Genug zu tun gibt es auf jeden Fall für die nächsten Wasser-Techniker. Diese sollten sich im Bau- und Umweltingenieurwesen auskennen, empfiehlt Albers: »Also zum Beispiel Mechanik, Hydromechanik, Hydrologie und Baustoffkunde.« Als Soft Skills nennt Prof. Robert Holländer »ein Verständnis für die Besonderheiten anderer kritischer Infrastrukturen – z. B. Stromversorgung oder Internet – von denen das Wasser zunehmend abhängt.« Auch ein ausreichendes Wissen in Biologie und Chemie sollte dabei sein, um Wasser intelligent nutzbar machen zu können.
Wasser? Mit Sicherheit!
»Die besonderen Herausforderungen liegen in den Sicherheits- und Qualitätsanforderungen der Wasserwirtschaft. Sie gehört zu den kritischen Infrastrukturen und soll immer funktionieren. Trinkwasser ist ein Lebensmittel, Abwasser muss sicher entsorgt werden, nicht nur wegen des Umweltschutzes, sondern vor allem auch wegen der Siedlungshygiene. Das bedeutet erhebliche Einschränkungen beim agilen Einführen von neuen Lösungen und extrem hohe Anforderungen bei der IT-Sicherheit.«
Prof. Robert Holländer, Institut für Infrastruktur und Ressourcenmanagement an der Universität Leipzig.