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Ingenieure in der Pharma- und Medizinbranche

Entschuldigung, bin ich hier richtig? Welche Türen Ingenieuren offen stehen.

 

Ingenieure? Verknüpft man in der Birne schon lange nicht mehr primär mit virtuosem Schaffen in der Baubranche oder der Konzeption, Produktion und Wartung von großem Gerät. Dass die Tätigkeit nach einem ingenieurswissenschaftlichen Studium deutlich weitreichender und branchenübergreifend ausfallen kann, beweisen Pharma- und Medizintechnik-Unternehmen. Und das ist auch enorm wichtig, denn in Sachen pharmazeutischer und biotechnischer Entwicklung sind Fachkräfte unabdingbar. Die Branche bietet sichere Arbeitsplätze und ein hohes Entwicklungspotenzial – sowohl in fachlicher Hinsicht, als auch mit Blick auf die Karriereleiter. Was – abhängig vom Unternehmen – mit einem Trainee-Programm beginnt, kann Absolvierende mit Motivation und Engagement bishin zur Führungsposition verhelfen. Wie einfach ist aber der Sprung aus dem Hörsaal in die Pharma-/Medizinbranche? Und steckt da wirklich Zukunft drin? Input dazu aus erster Hand liefert Manfred Beeres. Er schlüsselt auf: Wer, was, warum und inwiefern Corona einen Einfluss auf die Karriere in dieser Branche hat.

Ingenieure in der Pharma-/Medizinbranche – wie passt das zusammen? Welche Karrieremöglichkeiten bieten sich für Absolventen?

»Die Berufsaussichten in der Medizintechnologie-Branche sind für Ingenieure, Naturwissenschaftler und Fachkräfte ausgezeichnet. Besonders bei Ingenieuren gilt die Medizintechnik als ›Champions League‹ unter den Ingenieurwissenschaften. Denn: Medizinprodukte retten und erhalten schließlich Leben. Die Arbeitslosigkeit fällt in der Medizintechnik insgesamt unterdurchschnittlich aus. Die berufsspezifische Arbeitslosenquote liegt unter zwei Prozent. Die Verdienstmöglichkeiten von Absolventen sind attraktiv und liegen in Augenhöhe mit der Pharmaindustrie. Durch gute Karriere- und Aufstiegsmöglichkeiten sowie die zunehmende Internationalisierung der mittelständischen Medizintechnikunternehmen (Auslandsaufenthalte) sind gute Gehaltsentwicklungen vorhersehbar.«

Welche Skills sind ein Muss und was kann im Job erlernt werden?

»Gefordert sind vor allem ›transdisziplinäres Denken und Handeln‹. Schließlich trifft Technik auf Medizin, Entwicklung auf Anwendung. In der Medizintechnik werden vor allem Ingenieure gesucht, die gleichzeitig über Disziplinen hinweg denken können und über eine hervorragende Teamfähigkeit verfügen. Es gilt, die Sprache und Anforderungen von Ärzten oder Zellbiologen zu verstehen. Wichtig ist Neugier auf MINT-Themen. Auch die weiter voranschreitende Internationalisierung der Märkte wirkt sich direkt auf die Arbeit der Beschäftigten in der Medizintechnik aus. Daher verstärken die Unternehmen ihre Bemühungen, die Belegschaft in interkulturellen Themen weiterzubilden. Das betrifft nicht nur Führungskräfte und Akademiker, sondern beispielsweise auch Techniker, die im Ausland gemeinsam mit den Kollegen vor Ort eine neue Produktionslinie aufbauen.«

Ingenieur = Ingenieur? Braucht es spezifische Ingenieur-Studiengänge bzw. -abschlüsse, um optimal auf die Arbeit in dieser Branche vorbereitet zu sein?

»Gefragt ist die gesamte Bandbreite an Ingenieuren: vom klassischen Maschinenbau-Ingenieur über Elektrotechniker bis hin zu Ingenieuren mit Kenntnissen in der IT-Systemintegration. Die MedTech-Unternehmen suchen keine fertigen Spezialisten, sondern Fachkräfte mit einem soliden Wissensfundament, die sich im Studium spezielles Wissen im Bereich Medizintechnik angeeignet haben: Elektrotechniker, Informatiker, Maschinenbauer, Physiker. In Zahlen bedeutet das für die Suche nach Fachkräften konkret: Es benötigt Ingenieure (35 Prozent) und Medizintechniker, sowie Naturwissenschaftler (jeweils 26 Prozent) und Informatiker (23 Prozent).«

Stichwort Corona – hat die Pandemie für Ingenieure in dieser Branche einen Push bewirkt? Was hat sich verändert?

»Die Coronakrise hat erhebliche Auswirkungen auf den Vertrieb von Medizinprodukten. Mehr als zwei Drittel der Unternehmen gaben bei der BVMed-Herbstumfrage 2021 an, dass digitale Lösungen im Vertrieb deutlich wichtiger werden. Die Hälfte der Befragten erwartet veränderte Märkte und Wettbewerbssitua-tionen durch digitale Angebote und Produkte. 62 Prozent setzen
verstärkt auf virtuelle Ärzteveranstaltungen, 48 Prozent auf Remote-Selling-Konzepte. 45 Prozent erwarten dauerhafte Kontakteinschränkungen im Krankenhausbereich. Die Medizinprodukte-Branche beschäftigt in Deutschland mehr als 235.000 Menschen. Die Beschäftigtenzahlen sind in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. Trotz der Coronakrise ist – nach den Ergebnissen der BVMed-Herbstumfrage 2021 – erkennbar, dass die Unternehmen ihren Personalumfang nicht nur halten, sondern weiter ausbauen wollen. Nur 10 Prozent der Unternehmen sind gezwungen, in diesem Jahr Personal abzubauen. 48 Prozent halten ihre Mitarbeiterzahl. 38 Prozent schaffen sogar zusätzliche Arbeitsplätze. Die Berufsaussichten für Fachkräfte in der MedTech-Branche sind damit nach wie vor ausgezeichnet. 84 Prozent der Unternehmen, die sich an der BVMed-Herbstumfrage 2021 beteiligt haben, halten die Berufsaussichten für unverändert gut, beziehungsweise besser.«

Die berühmten letzten Worte: Was ist Ihr ganz persönlicher Rat für angehende Ingenieure, die einen Blick auf die Pharmabranche geworfen haben?

»Was ist wertvoller als unsere Gesundheit? Kardiologische Implantate bringen schwache Herzen zurück in Rhythmus. Endoprothetik ermöglicht Gelenken wieder schmerzfreie Bewegung. Robotische Assistenzsysteme sorgen für mehr Sicherheit während einer Operation. Hygieneprodukte und Impfausrüstung helfen bei der Bekämpfung von Pandemien. Medizintechnologien verbessern unsere Lebensqualität, retten und erhalten Leben. Mit der eigenen Arbeit dazu beizutragen ist unglaublich erfüllend. Mein Rat an angehende Ingenieure lautet daher: Werfen Sie nicht nur einen Blick auf die MedTech-Branche, werden Sie Teil davon.«


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