Momentaufnahme
»Das System unserer Energieversorgung wird gerade auf den Kopf gestellt: Aus einem System mit konventionellen Großkraftwerken wird ein System mit sehr vielen dezentralen Anlagen«, fasst Bernhard Strohmayer, Bereichsleiter »Erneuerbare Energien« beim Bundesverband Neue Energiewirtschaft, den aktuellen Stand der Energiebranche zusammen. Das Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme verzeichnet: Strom aus erneuerbaren Energien ging im ersten Quartal 2021 im Vergleich zum Vorjahr um 7,9 Prozent zurück. Das Minus lässt sich durch eine hohe Dunkelflaute – die Zeit, in der keine Energie durch Sonne oder Wind erzeugt wird – erklären. »Die Herausforderung der Energiewende besteht darin, das Lastprofil an das Erzeugungsprofil anzupassen«, erklärt Dr. Fiete Dubberke, IT-Geschäftsführer bei WestfalenWIND. Zeiten der Dunkelflaute gelte es mit Hilfe von Technologien zu überbrücken, so der Fachmann. Windkraft weist hohe Schwankungen auf; Photovoltaik kann man letztendlich gut vorhersagen – nachts scheint die Sonne nicht.
Fähigkeiten
»Wesentlich für die Energiewende ist kreatives Denken«, rät Dr. Stark Absolvierenden. Der Leiter des Fachbereichs »Erneuerbare Energiesysteme« des Bundesverbands Erneuerbare Energie fährt fort, dass ein wacher Geist und lösungsorientiertes Handeln außerdem von zentraler Bedeutung für einen guten Einstieg in die Energiebranche seien. »Außerdem sind Ehrgeiz und Mut zur Disruption nötig«, fügt Bernhard Strohmayer ergänzend hinzu. »Das Gebiet der IT ist sehr vielfältig geworden«, erkennt Dr. Dubberke, »im Bereich der Netzinfrastruktur benötigen ITler*innen z. B. elektrische Kenntnisse. Juristisches Know-how ist zudem in allen Einsatzgebieten von Vorteil.« Besonders gefragt seien Kenntnisse in den Bereichen Elektrotechnik, Energietechnik, Verfahrenstechnik und CAD. Neben den fachlichen Skills wird vermehrt kaufmännisches Verständnis und strategisches Gespür von den Bewerber*innen erwartet, geht der Personalberater Christian Röther ins Detail.
Zukunftsperspektive
Christian Röther, Inhaber von Sunjob CONSULT, rechnet mit rosigen Berufsaussichten: »Wenn wir 100 Prozent erneuerbare Energieversorgung erreichen wollen, werden wir deutlich mehr qualifiziertes Personal benötigen. Fachkräfte sind in den Bereichen Forschung und Entwicklung, Projekt- und Produktmanagement, Projektentwicklung, Sales, Business Development und After-Sales gesucht.« Hinzu kommt, laut Dr. Matthias Stark, die Kommunikationsanbindung an Markt und Marktteilnehmer sowie der Vertrieb zum Endkunden. Wichtige Zukunftsthemen sind zum einen der Wandel von einer zentralen zu einer dezentralen IT und zum anderen die Nachhaltigkeit der IT an sich, so Dr. Dubberke: »Absolvierende werden den Transformationsprozess der nächsten 20 Jahre mitgestalten können.« Die Expert*innen sind sich einig, dass die erneuerbaren Energien einen echten Job-Boom bieten und es keine besseren und zukunftssicheren Einstiegsmöglichkeiten für INGs und ITs gebe.
Internet of Energy
Mit dem Umbau unseres Energiesystems hin zu mehr erneuerbaren Energien, steige die Anforderung eines sicheren und effizienten Netzbetriebs, erkennt das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. In Zukunft werden Stromerzeuger und -verbraucher über ein intelligentes Netz – ein sogenanntes Smart Grid – miteinander verknüpft sein und digital miteinander kommunizieren. »Digitalisierung zeichnet neben der Dezentralität die Energiewende aus – daher ist die IT genauso gefragt wie Elektrotechnik oder Maschinenbau«, fasst der Experte Strohmayer zusammen.
Speicher der Zukunft
»Besonders spannend ist zurzeit die Speicherentwicklung – Batterien sind das nächste große Ding, um erneuerbare Energien zu jeder Tageszeit zur Verfügung zu stellen«, teilt Bernhard Strohmayer mit, »um grüne, klima-neutrale Energie das ganze Jahr über nutzen zu können, werden z. B. grüne Gase für die Langzeitspeicherung von Strom wichtig.« Zukunftspotenzial haben »Power-to-Gas«-Lösungen, die von grünem Strom angetrieben werden. Biogas, welches in das Erdgasnetz eingespeist wird, kann wetterbedingte Schwankungen der Solar- und Windenergie ausgleichen. Die vorhandene Infrastruktur – knapp 500.000 Kilometer Erdgasnetz – könne von grünen Gasen ohne Umbau genutzt werden, gibt der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft an.