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Wenn Waren watscheln

Nachhaltige City-Logistik und innovative Entwicklungen für die letzte Meile

Schon wieder der Blick aus dem Fenster. Du weißt genau, es bringt nichts. In der Live-Verfolgung steht ganz eindeutig: Die Lieferung trifft erst zwischen 14:45 Uhr und 16:15 Uhr ein. Doch irgendwann ist es soweit und du siehst den Boten mit der gelben, roten oder blauen Kappe aus seinem Transporter steigen – in der Hand das Päckchen mit deinem neuen Handy. Doch gehen wir mal ein paar Jahre weiter. Es ist wieder Zeit, das Smartphone zu wechseln und wieder wartest du sehnsüchtig auf die Lieferung. Doch wer kommt jetzt und bringt sie dir?

Die Logistik befindet sich im Umbruch. Während beim Langstreckentransport diskutiert wird, ob das Schiff, das Flugzeug oder der E-LKW die Waren transportieren soll, sind es bei der »Last Mile« – also der letzten Etappe vom Verteilzentrum zum Empfänger – ganz andere Herausforderungen. Für eine Lösung müssen mehrere parallel laufende Trends einbezogen werden: Der steigende Boom des Online-Handels, das Wachstum der Städte, mehr Nachhaltigkeit und natürlich der Mangel an Zustellboten. Auch wenn konkrete Lösungen noch in der Zukunft liegen, läuft der Weg dorthin auf jeden Fall über technische Entwicklungen von Ingenieuren und ITlern.

Wenn der Robo zweimal klingelt

Das Zukunftsinstitut sieht in seinem »Mobility Report 2021« vor allem in der fortschreitenden Entwicklung der Robotik eine Perspektive. »Wir werden immer mehr im Internet bestellen«, schreibt dort der Zukunftsforscher Stefan Carsten. Laut Report werde die Anzahl der Delivery Bots, die schon heute auf Straßen und Bürgersteigen unterwegs sind – um Pakete, Arzneien, Lebensmittel und vieles mehr zu Kundinnen und Kunden zu transportieren – steigen. Allen voran sind es große Logistikunternehmen, die ihre langfristige Zukunft in der Roboter- Lieferung planen, nicht zuletzt weil menschliche Paketboten viel mehr kosten. Testversuche gibt es schon einige wie zum Beispiel auf der George Mason University in Virginia. Hier hat sich eine Infrastruktur von Delivery Bots entwickelt, die den Studierenden Mahlzeiten aus der Mensa liefern und zwar überall auf dem Campus. In so einem Mikrokosmos funktioniert der Robotereinsatz natürlich recht unproblematisch. Die Funktionsweise in der echten Welt ist um einiges problematischer. Gesperrte Gehwege, hohe Bordsteine oder schlechte Witterung könnten zu Schwierigkeiten für Lieferroboter werden. Zwar sollen sie stets von einem ortsansäßigen Serviceteam überwacht werden, doch bis die kleinen Maschinen-Boten Normalität werden, müssen noch viele Fragen – auch rechtlicher Natur – geklärt werden. Gleiches gilt auch für die Lieferung durch Drohnen: Während DHL die eigenen Pläne mit Flugrobotern im vergangenen Jahr einstellte, setzt der Gigant Amazon weiter auf die Entwicklung. In Kalifornien und Texas finden schon erste Testläufe mit Kunden statt. Ob und wann sich die Technologie auch in Deutschland durchsetzt, ist nicht nur eine Frage der technischen Innovation, sondern auch des Rechts.

Entenmarsch

So spannend die Vorstellungen für eine Zukunft mit fliegenden Paketboten auch ist, die realistischen Projekte der nächsten Jahre, bei denen sich die Techniker und Technikerinnen von heute einbringen können, finden auf der Straße statt. Innovativ sind sie trotzdem allemal. Viele neue Ideen kommen dabei aus dem Bereich der Start-ups. Da gibt es zum Beispiel das Aachener Unternehmen Ducktrain: Seit 2018 wird hier an Logistikfahrzeugen getüftelt, die ideal für die Stadt der Zukunft einsetzbar sein sollen – möglichst effektiv, möglichst platzsparend. Der Ducktrain besteht dabei aus einem Führungsfahrzeug sowie einzelnen Elektrofahrzeugen – den Ducks. Durch Sensoren folgen sie dem Leitfahrzeug wie die Küken einer Entenmutter. Die erste Generation, bei dem Führungsfahrzeug und Ducks noch mit einer kraftlosen Deichsel verbunden sind, befindet sich schon im Verkauf. Entwickelt wird derzeit die zweite Generation, bei der bis zu fünf Ducks dann teilautonom hintereinander fahren und so bis zu 1,5 Tonnen transportieren können – der Nutzlast eines kleinen Lieferwagens. Dr. Kai Kreisköther ist CEO und Co-Founder von Ducktrain und erläutert, warum die Entwicklung von neuen Logistikwegen so wichtig ist: »Derzeit ist extrem viel Dynamik im Markt. Nachdem Jahrzehnte lang klassische Logistikunternehmen einfach nur Pakete ausgeliefert haben, sehen wir seit wenigen Jahren viele neu entstehenden Unternehmen, die ganz neue Serviceversprechen anbieten.

Diese Unternehmen bauen mittlerweile eigene Logistikketten bis zur Kundschaft auf und verfügen über eine extreme Innovationsgeschwindigkeit und Experimentierfreude, was die verwendeten Fahrzeuge wie unseren Ducktrain angeht.« Das Start-up sieht Kreisköther deshalb als die beste Schmiede für junge Talente, weil Mitarbeiter dort nach ihrem Einstieg schnell in die Mitgestaltung involviert werden. »Binnen weniger Monate kann man dann schon eigene Verantwortung über ein kleines Team von studentischen Mitarbeiter*innen übernehmen und dieses schrittweise auch mit Vollzeitmitarbeiter*innen vergrößern«, berichtet Kai Kreisköther von seinem Team.

Wie kommt der Beton zum Bau?

Es wäre zu simpel, bei der Last-Mile-Logistik nur an die Päckchen von Privatpersonen zu denken. Auch in der Baubranche gibt es eine letzte Meile, wenn nämlich die Materialien den Weg zur Baustelle finden müssen. Das Start-up »bex technologies« hat dafür eine App entwickelt, mit deren Hilfe Handwerker und Händler zusammenkommen. Die Menschen auf der Baustelle können mit wenigen Klicks einen geeigneten Händler ausfindig machen sowie das passende Fahrzeug und die ideale Lieferzeit – und das möglichst klimaneutral. »Bei uns trifft Last-Mile-Logistik auf digitales Marketing, Bauhandwerk auf Beratung und Industrie-, Groß- und Fachhandel auf Nachhaltigkeit – ein bunt aufgestelltes Team also«, erklärt Lennart A. Paul. Der CEO bei bex sieht ebenfalls die Vorteile eines jungen, breit aufgestellten Unternehmensteams: »Softwareentwickler kümmern sich um den Aufbau unserer Online-Plattform. UI/UX Designer und das Marketing Team sorgen dafür, dass sich jeder Kunde auf der bex Plattform zurechtfindet und von den neusten Updates erfährt. Kollegen mit einer Ausbildung in der Baubranche sind im Service aktiv und kümmern sich um die Bedürfnisse unserer Kunden. Das Operations Team kennt sich mit den Herausforderungen der Last-Mile-Logistik aus.« Klar wird dadurch: Um die Aufgaben unserer zukünftigen Logistik zu bestehen, braucht es motivierte Talente aus jeder Branche – auch Techniker aus IT und Ingenieurwesen. Thema Nummer eins dabei: Nachhaltigkeit durch Technologie. »Climate Tech ist das Gebot der Stunde«, meint Lennart Paul. »Digitale Technologie kann massiv dabei helfen, Emissionen unter Kontrolle zu bringen und zu kompensieren. Intelligente Systeme sorgen dafür, dass elektrisch angetriebene Fahrzeuge bei der Vergabe von Transportaufträgen bevorzugt werden. Gute User Interfaces sorgen dafür, dass User und Kunden dazu motiviert werden, sich für klimafreundliche, net-zero Optionen zu entscheiden.« Bei bex investiere man deshalb einen großen Teil der Zeit in die Einhaltung der Klimaziele, so Paul.

Die Zukunft wurde in das Zustellfahrzeug geladen

Stellt sich am Ende die Frage: Was brauchen Ingenieure und ITler denn nun, um die letzte Meile zukunftssicher zu gestalten. Und mal wieder lautet die erste Antwort darauf: Interdisziplinarität – das berühmte Schauen über den Tellerrand. Für alle interessierten Technikerinnen und Techniker ist es lohnenswert, sich mit Themen der gesellschaftlichen und urbanen Entwicklung auseinanderzusetzen. Denn: Zukunft der Logistik heißt immer: Zukunft der Städte. Wieviel Platz wird auf den Straßen sein? Wie groß ist die Bevölkerungsdichte? Und was für Entwicklungen gibt es im Online-Handel – Stichwort: aktueller Boom von Lebensmittellieferungen. Das sind Faktoren, an die sich die Logistik der Zukunft anpassen muss. Einige sind noch nicht absehbar, aber mit Neugier, dem Blick nach vorn und dem technischen Know-how am Puls der Zeit wird die kommende Techniker-Generation gut abliefern.

 


Antworten 


Zukunft = Start-up?

»Die Innovationsbereitschaft von großen Unternehmen ist einfach zu langsam, weswegen es Start-ups in den letzten Jahren immer wieder geschafft haben, komplette Branchen zu verändern: beispielsweise im Mobilitäts- und Logistikbereich.« Dr. Kai Kreisköther, CEO und Co-Founder bei Ducktrain

»Die Anzahl der Logistik Start-ups im deutschsprachigen Raum steigt und das aus gutem Grund. Heute gilt es, Lieferungen digital, transparent, effizient und emissionsfrei zu machen. Das wissen inzwischen auch immer mehr alte Unternehmen und schauen Richtung Start-ups, die neuen Spirit, attraktive Ideen und zukunftsfähige Geschäftsmodelle mit sich bringen.« Lennart A. Paul, CEO bei bex technologies

Was, wenn der Roboter kommt?

»Menschen, die Post austragen, Kurierfahrten erledigen oder in Lagern arbeiten, braucht es dann nicht mehr – es entsteht eine Touchless Mobility. Weil die innerstädtischen Bürgersteige stärker frequentiert und unübersichtlicher sind, wird sich dieser Trend zunächst in suburbanen Räumen etablieren. Langfristig wird er aber auch die Stadtzentren prägen.« Stefan Carsten, Zukunftsforscher im Mobility Report 2021 des Zukunftsinstituts

 


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