Mann Bauen Grün Hecke Holz
Bildrechte: Pexels/Ono Kosuki

Baubranchenboom zwischen Nachhaltigkeit und Digitalisierung

Wie Innovationen den Bausektor revolutionieren

Schneller, höher, weiter – aber bitte in nachhaltig und mit dem nötigen Quäntchen Digitalisierung on top. Die Baubranche ist inzwischen so viel mehr als nur »Stein auf Stein«: Der Wandel findet auch hier statt. Wachsender Wohn- und damit Baubedarf bei räumlicher Verknappung, dazu intelligente und ressourcenschonende Smart-Housing- Notwendigkeiten in der City und am Land – spannender kann der Berufseinstieg für Ingenieuer*innen und Architekt*innen kaum sein.

Transformation in Digital

Autonom fahrende Maschinen, 3D-Drucker, automatisierte Verteiler, die Vermessung via Drohnen und Satelliten sind keine Seltenheit mehr in Punkto Baustellenalltag. Damit die Abwicklung von Bauprojekten glatt über die Bühne geht, hat sich digitales Arbeiten zu einem unverzichtbaren Tagesordnungspunkt entwickelt: Stichwort »BIM«, Langform Building Information Modeling. Die Art des Bauwerks – ob Krankenhaus, Brückew oder Tunnel – spielt bei der BIM-Anwendung keine Rolle, es wird ein jeweiliges Modell der erfassten Baudaten erstellt. Sind die korrekt, kann via BIM jedes erdenkliche Gerüst digitalisiert werden. Der größte Vorteil ist die Zeitersparnis. Du fragst dich, ob dein Abschluss die digitale Transfomation im Baustellengewand abdeckt? Die Chancen stehen gut, denn auch die Hochschulen springen inzwischen auf diesen Zug auf – Digitalisierung trifft Konstruktion: Masterstudiengänge wie »Konstruktiver Ingenieurbau und digitale Bauprozesse« an der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe entstehen momentan allenthalben. Wer sich nach dem Bachelor also nicht digital genug fühlt, kann die Fühler also in diese Richtung ausstrecken.

Technologie-Exempel zum Staunen gefällig?

Wer nach dem Studium in den Job starten und die volle Bandbreite Praxis inhalieren darf, wird Bekanntschaft mit erstaunlichen Neuerungen machen. In Sachen Schnelligkeit sind 3D-Betondrucker unschlagbar: Sie sind imstande, Wände und spezielle Bauteile in Rekordschnelle zu realisieren. Da solches Innovationsmanagement oft nicht zum klassischen Studieninhalt gehört, machen berufsbegleitende Weiterbildungen die Arbeit in diesem Bereich möglich. Wer Maschinenbau studiert hat, wird die ein oder andere Grundlage bereits im Gepäck haben. Neben einfachen Wänden sind auch komplexere Formen wie die bereits 2014 angestoßenen, aber schnell wieder in Vergessenheit geratenen Smart Bricks durch 3D-Druck realisierbar. Die an Lego angelehnten Verbindungssteine hauchen Erinnerungen aus heimischen Kinderzimmern Leben ein und sind durch ihre modulare Aufbauweise super einfach in der Handhabung. Pluspunkt: thermische Energiekontrolle, Platz für Strom und Sanitär wie auch niedrigere Baukosten gibt´s oben drauf. Bis dato leider nur theoretisch.

Wer im Studium neben Kenntnissen in Konstruktion und Co. einen hübschen grünen Daumen entwickelt und ein Auge auf Nachaltigkeit geworfen hat, sieht sich mit spannenden Ideen konfrontiert. Beispiel eins: selbstheilender Bio-Beton – mithilfe von Bakterien dichtet er kleine Risse an der Konstruktion ganz ohne äußere Einwirkung zuverlässig ab und trumpft dadurch mit einer langen Lebensdauer auf. Beispiel zwei: Das Biolehmhaus. Es besteht komplett aus naturreinen Roh-Baustoffen wie Lehm, Kalk, Holz und Schilf. Außerdem setzt es gezielt Synergieeffekte der Strahlungswärme, Massespeicherung und kostenlosen Sonnenenergie ein. Und so stehen Ingenieur*innen für Nachhaltigkeit und Klimaschutz im Bau immer häufiger auf der »Wanted-Liste« vieler Unternehmen. Deine Aufgabe: Mensch, Tier, Natur, technische Lösungen und wirtschaftlich-sinnvolle Produktionsweise unter einen Hut bekommen.

Next Level: Grüner Daumen

Dass Nachhaltigkeit irre wichtig ist, sollte inzwischen bei allen angekommen sein. Laut des am 16.12.2020 vorgelegten Berichtes des UN-Weltprogrammes verantwortet der Bausektor satte 38 Prozent der globalen CO2-Emissionen. Das kratzt kritisch nah an der im Pariser Klimaschutzabkommen festgelegten Höchstgrenze. Während die Digitalisierung geradezu boomt, tritt die Baubranche in Sachen Umweltschutz nahezu auf der Stelle. Die Theorie steht, an der praktischen Umsetzung mangelt‘s jedoch noch ordentlich. Begründet liegt das oft im Kostenfaktor. Nachhaltige Alternativen sind gerade zu Beginn oft kostspieliger als klassische Materialien und Prozesse. Dabei gleicht sich das auf die Jahre gerechnet sogar mit einer dicken Ersparnis aus. Die Message ist klar: Es besteht Handlungsbedarf! Der Bausektor schreit geradezu nach frischen Köpfen mit innovativen Ideen und dem richtigen Fokus im Gepäck. Absolvent*innen des Umweltingenieurwesens sind hier beispielsweise die Persons of Interest. Die Entwicklung ebenso wie der Bau von Umwelttechnik gehören ebenso zu deinen Aufgaben wie die Analyse umweltrelevanter Vorgänge und die Forschung im Spektrum nachhaltiger Ökologie.

Kompetenz 4.0

Weiterentwicklung und Innovation sind also große Themen. Aber wie genau können Absolvent*innen etwas dazu beitragen? Immer mehr Hochschulen und Unis sehen sich in der Pflicht, dem Wandel zu folgen und das Lehrangebot entsprechend anzupassen. Und auch Bauunternehmen richten ihre Stellenausschreibungen zunehmend an Absolvent*innen mit entsprechenden Skills. Aber wie genau sollen die aussehen? Was sind die Must-Haves von Berufseinsteiger*innen? Good News: Um das Thema Nachhaltigkeit im Bau abzudecken, kommen nach wie vor Fachkräfte aus verschiedensten, bereits bestehenden Bereichen zum Zug. Wichtig ist Verständnis, wie die Langebigkeit hochwertiger Gebäude gewährleistet werden kann und Planung, wie auch Konstruktion genau an diesen Punkten an- und umzusetzen sind.

»Dazu gehört in erster Linie die richtige Haltung und das Selbstverständnis, mit dem eigenen Handeln einen Beitrag zu leisten, aber auch die Rückbesinnung auf das, was Architektur und Bauen tatsächlich leisten kann und muss: einen positiven Beitrag für unsere Lebenswelt.«, so Dr. Christine Lemaitre, geschäftsführender Vorstand der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen. »Von Architekten und Ingenieuren wünsche ich mir Entwürfe, die verantwortungsbewusst mit unseren Ressourcen umgehen und mit umweltfreundlichen, innovativen Materialien gestaltet sind. Alle sollten Skills zum Klima Engineering mitbringen um beispielsweise effiziente Energiekonzepte umsetzen. Die Prinzipien der Circular Economy sollten ebenso für alle Fachbereiche Grundlage ihrer Arbeit sein. Akteure der Immobilienwirtschaft oder des Finanzbereiches sollten verstehen, wie Nachhaltigkeit in Bauprojekten maximal gefördert werden kann und die Mehrwerte kommunizieren.«

Neustart unnötig

Über 1.300 Gebäude auf der ganzen Welt hat die DGNB seit 2009 klassifiziert – Tendenz steigend. Vor allem bei Gewerbeimmobilien in Großstädten tut sich hier viel. In der Wohnungswirtschaft hingehen, so sieht das auch Dr. Lemaitre, besteht Nachholbedarf. Doch immer mehr kommt diese Notwendigkeit auch im Baugewerbe an: 45 Prozent der Bauunternehmer z.B. halten Energieeffizienz und -einsparung für die wichtigsten Themen in ihrer Branche. Auch Ideen wie Raumersparnis spielen eine Rolle – Stichwort Tiny Houses. Gut 140 davon passen in ein Fußbaldfeld. Besondere Situationen erfordern besondere Maßnahmen, so viel ist klar. Und gerade weil das Thema Nachhaltigkeit im Bausektor mehr Raum bedarf, bleibt die Kehrtwende hier nicht aus. Wer sich als Absolvent*in von den Anforderungen erschlagen fühlt, kann jetzt definitiv getrost aufatmen – learning by doing ist hier angesagt. Die Branche steckt in dem Bereich vielleicht noch in den Kinderschuhen, aber: sie läuft bereits. Die Grundlage steht, erste nachhaltige Konstruktionen stehen und Unmengen an Wissen wartet darauf, konsequent und bedacht umgesetzt zu werden. Inspiration wartet sozusagen an jeder Ecke. »Wir kommen viel schneller und zielgerichteter voran, wenn wir das bestehende Wissen positiv aufnehmen, einbinden und darauf aufbauen«, so Dr. Lemaitre.

 


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