Ressourcen Wasser Tropfen
Bildquelle: Unsplash

Back to the roots

Lässt sich das Streben nach neuen Technologien junger Ingenieurinnen und Ingenieure mit dem achtsamen Umgang von Ressourcen vereinbaren? Oder muss ein neues Mindset in deren Reihen etabliert werden?

 

Es tut sich was

Spätestens nach der Blockade des Suezkanals durch das Frachtschiff »Evergreen« müsste jedem klar geworden sein, welchen enormen Einfluss der Gütertransport via Frachtschiff auf den Welthandel hat. »Sage und schreibe 90 Prozent aller Produkte, die wir am Ende des Tages in unseren Händen halten, waren auf dem Weg zu uns mindestens einmal selbst Frachtschiff-Passagier«, weiß Professor Ralf Brauner, der im Fachbereich Seefahrt und Logistik an der Jade Hochschule Wilhelmshaven Oldenburg Elsfleth angesiedelt ist. Und obwohl die Dampfer wegen ihrer schlechten Umweltbilanz aufgrund von Schweröl-Antrieb so verpönt sind, können derart große Warenmengen noch nicht auf eine andere Art und Weise umgeschlagen werden. Eine Lösung muss her. Forschungsansätze in verschiedenen Richtungen treiben Wissenschaftler derzeit um. Zu den ewigen Wettstreitern Batterie und Brennstoffzelle gesellen sich Verbrennungsmotoren mit Biokraftstoffen und das Carbon Capturing. Auch Tempolimits und Wetterrouting sollen die Emissionen auf hoher See reduzieren. Die Technologien erfordern Anpassungen an die jeweiligen Schiffstypen. Aber nochmal von vorn. Laut Professor Brauner passiert derzeit sehr viel was den Bereich Sustainable Shipping angeht. Für die Zukunft werden seiner Meinung nach dafür weiterhin Konstrukteure aber auch Entwickler für Künstliche Intelligenz und Innovation erforderlich sein. Regulatorisch ist die International Maritime Organization (IMO) dafür verantwortlich, wieviel Umweltgas, sprich Stickoxid, CO2, Black Carbon und Schwefeloxide die Ozeanriesen ausstoßen dürfen. »Als Übergangstechnologien sind derzeit die Dekarbonisierung und die Nutzung von liquified natural gas vorne mit dabei«, erklärt Ralf Brauner, denn »die Schifffahrt will weg von klassischen fossilen Brennstoffen und muss eine Lösung finden, die auch schon jetzt in Bestandsschiffen angewandt werden kann«. Bei der Dekarbonisierung wird beispielsweise Kohlenstoffdioxid mithilfe eines chemischen Verfahrens gebunden, somit gelangt das CO2 nicht in die Atmosphäre. Experten gehen momentan von 50.000 bis 70.000 Schiffen aus, die sich auf den Weltmeeren bewegen und Waren transportieren. Die Nutzungsdauer solcher Frachter beträgt etwa 20 bis 25 Jahre – diese müssen nachhaltig geführt werden. »Es wäre alles andere als nachhaltig diese an den nächsten Strand zu setzen, um sie dort zu demontieren, nur weil sie viel Kraftstoff benötigen und dementsprechend Schadstoffe ausstoßen«, so Brauner. Neben der Bindung von CO2 experimentieren Wissenschaftler auch in der Schifffahrt mit der Herstellung synthetischer Kraftstoffe, die derzeit auch in der Automobilbranche eine große Rolle spielen. Der Vorteil: Synthetisch hergestelltes E-Fuel beziehungsweise E-Diesel kann in den bestehenden Motoren als Kraftstoff dienen. Auch die Kreuzfahrt-Industrie will beim Thema Nachhaltigkeit nicht hinterherhinken und trumpft mit Flüssiggas, dem LNG, auf. In manchen Häfen unterliegen die Passagierschiffe auch der Landstrompflicht. Bedeutet: im Hafen Motor ausstellen und Strom vom Liegeplatz beziehen. Vielerorts ist die dafür benötigte Infrastruktur aber noch nicht genug ausgebaut.

58% weniger CO2-Emission in deutschen Betrieben mithilfe von Digitalisierung

In der Luftfahrt wird mit Hilfe von Flottenaustausch, Treibstoffalternativen und automatisierten Flugsicherungsdiensten experimentiert. Die DFS Deutsche Flugsicherung beispielsweise ist Teil eines Forschungsprogramms, das sich zum Ziel setzt, im Rahmen des europäischen Flugverkehrsmanagments eine Vereinheitlichung und Synchronisierung der Dienste durchzusetzen. Im Single European Sky ATM Research Programme - kurz SESAR - sind viele Vertreter  verschiedener Disziplinen involviert. »Ziel ist es, Wege zu finden, wie Umweltschutz bei gleichzeitigem Wachstum des Luftverkehrs insgesamt möglich ist. Das kann immer nur ein Kompromis sein, daher müssen Experten aus allen Disziplinen einbezogen werden«, so Michaela Sankowsky aus dem Bereich Umweltmanagement der DFS Deutschen Flugsicherung. Allen voran seien bei der Entwicklung von neuen Luftraumstrukturen, Systemen oder Verfahren für die Flugverkehrskontrolle besonders Fachleute der Technik, Ingenieurwissenschaften, Fluglotsen und ITler gefragt. Die ökonomische Expertise in der Luftverkehrswirtschaft als Ganzes bringen BWLer oder Wirtschaftswissenschaftler mit. Außerdem eröffnen alternative Treibstoffe oder die Verwendung von Batterien als Antrieb ganz neue Möglichkeiten für die Bauweise von Flugzeugen. Mit der entsprechenden Forschung beschäftigen sich vor allem Techniker,  Ingenieure oder Maschinenbauer mit Schwerpunkt Luft- und Raumfahrt.

 

Zwischen Trends die Brücke schlagen

Dass Mobilität nachhaltiger wird und werden muss, darüber sind sich alle einig. Doch wie sieht es mit der viel zitierten Digitalisierung aus? Mit Corona als Katalysator wurde sie in allen Lebensbereichen in letzter Zeit stark voran getrieben. Einrichtungen, in denen es vor Corona nicht einmal denkbar war, bieten ihren Kunden nun Online-Terminvereinbarungen an. Nun gilt es, die zwei wohl größten Trends unserer heutigen Zeit miteinander zu vereinbaren: Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Unternehmen haben bemerkt, dass Mitarbeiter auch im Home Office produktiv und engangiert arbeiten. Ein Grund für viele Firmen ihren Angestellten die Option von Telearbeit weiterhin anzubieten. Die Konsequenz: Breitbandausbau und Glasfaserleitungen für schnelle Internetverbindungen, damit auch im tiefsten Hinterland das Home Office unter besten Gegebenheiten bewerkstelligt werden kann. Doch wieviel Energie und Ressourcen dabei aufgewendet werden müssen, daran wird oft nicht gedacht.

Das Einsparpotenzial von CO2 durch Home Office war in Deutschland am größten.
CO2-Reduktion um 151 Megatonnen bis 2030 durch den Einsatz digitaler Lösungen.

Ähnlich wie beim Bau von Transportmitteln wie Flugzeug oder Schiff, werden auch in der Informations- und Kommunikationstechnik Bestrebungen verstanden, die eine umwelt- und ressourcenschonende Nutzung gewährleisten; Und das Ganze über den gesamten Lebenszyklus hinweg. Die Grünen im Bundestag fordern dazu eine »Green-IT-Strategie, effiziente Rechenzentren und ein Recht auf Reparatur für digitale Endgeräte.« Also nicht immer gleich in die Tonne mit defekten Geräten. Außerdem sei es laut Prof. Christoph Meinel, Institutsdirektor und Leiter der Initiative clean-IT wichtig, das Bewusstsein für die Risiken zu schaffen, die durch einen weiter steigenden Energieverbrauch durch digitale Technologien entstehen.

 

Fluch und Segen

Vor allem die Pandemie hat die Digitalisierung in Unternehmen und öffentlichen Institutionen vorangetrieben. Auch Studiengänge wie Digital Transformation, Digital Technology und Management sowie Digitalisierung schießen derzeit wie die Pilze aus dem Boden. Dabei stellt sich die Frage: Ist die fortschreitende Digitalisierung nun schlecht für die Umwelt? Ja und Nein. Bei der Argumentation kommt es immer auf die Perspektive an. Zum einen kann der CO2-Ausstoß durch die Digitalisierung und Automatisierung von Logistikabläufen reduziert werden, auf der anderen Seite muss die Infrastruktur dafür erst einmal geschaffen werden. Heißt: CO2 wird im ersten Schritt erst einmal emittiert und Rohstoffe verbraucht. Dennoch bieten digitale Applikationen großes Potenzial. Denn Unternehmen können sich entlang der Wertschöpfungskette besser verknüpfen, Informationen und Daten austauschen. Und davon profitiert auch wiederum die Kreislaufwirtschaft. »Unser Ziel ist, das bislang vorherrschende Downcyling von Materialien durch ein Re- oder sogar Upcycling abzulösen«, sagt Dr. Stefan Engleder, CEO der Engel Gruppe.

 

Jobs im grünen Bereich?

Welche Berufsaussichten eröffnen sich für junge Absolvent*innen im Greentech Bereich? Die DFS Deutsche Flugsicherung beispielsweise bietet eine breite Palette an interessanten Jobs. Von Fluglotsen und Ingenieuren über Physiker, Luft- und Raumfahrttechniker bis hin zu BWLer ist jeder Fachbereich gefragt. »Die Spezialisierung auf flugsicherungsspezifische Fragestellung geschieht ›on the job‹. Oft schreiben Studierende technischer oder naturwissenschaftlicher Studiengänge ihre Diplom- oder Masterarbeit bei der DFS Deutschen Flugsicherung und spezialisieren sich so auf ein Fachgebiet, über das sie den Einstieg ins Unternehmen schaffen«, so Michaela Sankowsky. Doch nicht nur in der Luft sondern auch auf dem Wasser tut sich etwas. Denn auch Professor Brauner betont, dass die Schifffahrt Innovationspotenzial mit wichtigen und spannenden Jobs bietet. KI spielt beispielsweise bei Softwarelösungen an Bord eine große Rolle, wenn es um die Optimierung der Schiffsperformance geht. Mathematiker, ITler und Physiker sind dabei genauso gefragt wie Chemiker. Denn auch der Bewuchs des Schiffsrumpfes hat einen Einfluss auf die Performance. Spezielle Schiffsfarbe reduziert den Bewuchs mit Algen, Muscheln und Seepocken. Logistiker wiederum optimieren Lieferketten, um die Fahrtrouten der Containerschiffe optimal zu planen.

Verspätung in der Verkehrsflussbewegung um 238.000 Minuten reduziert.
20 bis 25 Jahre ist ein Containerschiff im Einsatz.

 

Das große Ganze

Ingenieure von heute sollten nicht mehr nur danach streben, dass alles größer, schneller, weiter und besser wird. Life-Cycle ist hier das Zauberwort. Nicht nur der Emissionsausstoß während des Betriebs ist bei der Betrachtung von Bedeutung, sondern vor allem auch, wie ein Verkehrsmittel, Gerät oder Produkt hergestellt und nach seinem Jahrzehnte langem Einsatz recycelt wird. Hinzu kommt, dass große Transportmittel viele Jahre im Einsatz sind. Sprich Flugzeuge, die jetzt gebaut werden, sind auch noch in 30 Jahren im Einsatz. Das Thema Nachhaltigkeit steckt im Ingenieurstudium noch in den Kinderschuhen. Angehende Ingenieure in klassischen Ing-Studiengängen bekommen häufig nur in wenigen Modulen oder Modulteilen Nachhaltigkeits-Know-How an die Hand. Vielleicht sollte bereits dort schon angesetzt werden, denn die Studierenden sind die Ingenieure der Zukunft. Zweischneidiges Schwert:  Digitalisierung kann Nachhaltigkeit fördern aber auch ausbremsen. Das Abwägen von Aufwand und Ertrag ist vor allem bei der Entwicklung von neuen Technologien von besonderer Bedeutung.

Etwa 50.000 bis 70.000 Bestandsschiffe schippern auf den Weltmeeren umher

 


Anzeige

Anzeige