Es ist der erste März 2020, New York City meldet gerade den ersten Coronafall. Am selben Tag wird die letzte Krankeneinrichtung der Stadt ins EMR-System integriert. EMR steht für Electronic Medical Record – ins Deutsche wohl am ehesten mit elektronische Patientenakte zu übersetzen – und erlaubt es den Krankenhäusern in New York City, ortsunabhängig auf die Gesundheitsdaten zuzugreifen. Zum Beispiel, wenn ein*e Patient*in in ein anderes Krankenhaus verlegt wird. Genauso dokumentieren die Akten Therapieansätze und können bei Erfolg als Hilfestellung im Umgang mit anderen Infizierten dienen. Die schnell gestiegene Nutzung an IT-Lösungen hat den Einrichtungen laut eigenen Aussagen geholfen, die Welle an COVID- 19 Erkrankungen zu händeln und nun in eine vernetzte Zukunft zu starten.
Und hierzulande?
Elektronische Patientenakten werden in Deutschland zwar erst im Laufe dieses Jahres voll einsatzfähig sein, aber immerhin. Denn bei der Frage nach digitalen Lösungen erscheint Deutschland häufig nahezu konservativ oder zumindest vorsichtig. Man könnte auch sagen: langsam. Eine Studie von Deloitte (2020) bestätigt dieses Bild. Im Vergleich mit Dänemark, Italien, den Niederlanden, Norwegen, Portugal und Großbritannien ist Deutschland am schwächsten auf die Nutzung von digitalen Technologien im Gesundheitssektor vorbereitet.
Trotzdem – und das ist genauso wahr – auch in Deutschland unterstützen IT-Lösungen im Gesundheitssektor schon jetzt den Umgang mit der Pandemie. Sebastian Zilch, Geschäftsführer des Bundesverbands Gesundheits-IT, nennt das bekannteste Beispiel: die Corona- Warn-App. Seit Juni ist die App zum Download in den Appstores und überzeugt vor allem durch ihre Datensicherheit. Zu den neuen Entwicklungen zählen außerdem Tools, mit denen Patient*innen ihren Anamnesebogen – also ihre Krankheitsgeschichte – bereits zu Hause ausfüllen können oder die ihnen die Entscheidung erleichtern, wann ein PCR-Test sinnvoll oder sogar dringend notwendig ist.
All diese Innovationen sparen Zeit und menschliche Ressourcen, die dafür an anderer Stelle eingesetzt werden können, wo sie mehr benötigt werden. Deswegen ist für Zilch klar: Wer einen Job mit Sinn sucht, ist in der Gesundheits- IT-Branche genau richtig. Er bedauere zwar, dass die Digitalisierung lange Zeit etwas verschlafen wurde, dafür ginge es jetzt umso schneller mit den Umbrüchen. Richtig sei, so Zilch, nämlich auch: »Die große Mehrheit der Innovationen war bereits da und konnte nun den langersehnten Durchbruch feiern«.
Was kommt, was bleibt?
Ob Videosprechstunden oder Online-Terminplanung: IT-Lösungen wie diese werden auch nach der Krise Teil des Gesundheitssystems bleiben. Dazu kommen die bereits angesprochene Einführung der Elektronischen Patientenakte, digitale Atteste oder elektronische Rezepte. Dass die Digitalisierung im Gesundheitswesen noch in den Kinderschuhen steckt, kann laut Zilch sogar ein Vorteil sein, denn: »Kaum anderswo gibt es so viele Freiräume, sich mit eigenen Ideen einzubringen und kreativ in die Zukunft zu starten.«
Gerade die IT-Sicherheit gehört zu einem der gefragtesten Bereiche für angehende ITler*innen, da Gesundheitsdaten zu den sensibelsten Daten überhaupt zählen. Insgesamt reicht die Bandbreite aber von der Forschung und Entwicklung bis hin zur Qualitätssicherung und dem IT-Support. Neben Corona geht es natürlich auch um andere große Themen. ITler*innen im Healthcare- Bereich entwickeln zum Beispiel KI-Lösungen, die Hautkrebs erkennen oder für einen reibungslosen Ablauf im OP-Saal sorgen. Seit Kurzem ist es Ärzt*innen außerdem möglich, Gesundheitsapps zu verschreiben, mit denen Patient*innen beispielsweise ihre Therapie gegen Panik- und Angststörungen digital begleiten können. Viele weitere dieser Anwendungen seien derzeit ebenfalls in der Entwicklung, so der Experte.