Na, was ist der sexy Job des 21. Jahrhunderts? Hal Varian, Chefökonom bei Google war sich schon 2008 sicher, dass es die Datenanalysten und -wissenschaftler sind, die diesen Titel verdienen. Und er sollte recht behalten: Der Bedarf an qualifizierten Kräften in diesem Bereich steigt seit Jahren. Zuletzt sorgte die Corona- Pandemie und die damit einhergehende Nachfrage nach IT-Lösungen nochmal für einen Aufschwung. Das bestätigt Lisa Ehrentraut, Teamleiterin beim Bundesverband IT-Mittelstand (BITMi): »Durch die gesteigerte Digitalisierung nimmt auch die Menge an Daten zu, die bearbeitet werden kann. Und damit steigt natürlich der Bedarf an Data Scientists.«
Jedoch ist es nicht nur die Menge an Daten, die zunimmt. Vor allem die Relevanz und der sorgsame Umgang mit eben jenen wurde in der Krise nochmal gesteigert. »Wenn Unternehmen anfangen, neue Datenströme zu generieren, bedeutet das nicht zwangsläufig, dass sie diese auch angemessen speichern und darüber nachdenken, wie sie diese nutzen können.«, ergänzt Jan aus dem Strategy-Team von Statworx. So ein Prozess brauche in der Regel Zeit.
In einer Umfrage von Vanson Bourne, die im September 2020 durchgeführt wurde, geben über die Hälfte der IT-Entscheider*innen in Deutschland an, dass ihr Vertrauen in Daten während der letzten Monate auf den Prüfstand gestellt wurde. Das hängt auch damit zusammen, dass Corona-Daten während der Krise oft missinterpretiert oder im falschen Kontext genannt wurden. 77 Prozent legen deswegen Wert darauf, die Datengenauigkeit in ihrem Unternehmen zu überprüfen. Vor allem wurde in der Befragung aber deutlich: Das Bewusstsein für die Wichtigkeit von Daten ist enorm gestiegen. Nahezu alle Befragten (95%) stimmten dieser Aussage zu.
Daten in der Pandemiebekämpfung
Gesamtgesellschaftlich betrachtet lässt sich dieses Bild nur erweitern, denn Daten und darauf basierende Technologien können aktuell ganz konkret im Kampf gegen Corona helfen. Kontaktnachverfolgung, das Ausmachen von HotSpots oder die Auswertung der Maßnahmen – all diese Prinzipien beruhen auf Daten. Das Vodafone Institute for Society and Communications kommt in einem Diskussionspapier zum Schluss: »Covid 19 has given governments, technology companies, data stewards and individuals a unique opportunitiy to demonstrate the potential data has to solve real life problems «. Im ersten Moment abstrakt erscheinende Daten und Zahlen sowie deren gezielte Nutzung können also ganz konkret unseren Alltag positiv beeinflussen.
Data Scientists tragen auf verschiedene Arten zur Pandemie- Bekämpfung bei, erklärt Jan von Statworx. Ein Bereich ist die Visualisierung und Kommunikation, zum Beispiel wenn es um interaktive Karten wie den Covid-19-Tracker von Microsoft oder das Dashboard des RKI geht. Außerdem werde Data Science genutzt, um wissenschaftliche Fragen zur Eindämmung der Pandemie zu bearbeiten. Hier gibt es auch globale Projekte, die verschiedene Expert*innen dazu einlädt, KI und Machine Learning zur Beantwortung einzusetzen. Der dritte Bereich ist die Modellierung des weiteren Verlaufs der Pandemie. Jan ist sich sicher: »Ein tiefes Verständnis der Daten ist der Schlüssel zum Verständnis der Pandemie und grundlegend für eine gute und informierte Entscheidung.«
Andreas Gillhuber, Co-CEO bei Alexander Thamm GmbH sieht an dieser Stelle – vor allem im Bezug auf die Pandemiebekämpfung – noch viel ungenutztes Potenzial. Auf der einen Seite könnte man Daten spezifischer erfassen und so ursachengerecht untersuchen, welchen konkreten Einfluss einzelne Maßnahmen auf die Inzidenz besäßen. Auf der anderen Seite erlebt er auch oft, dass Diskussionen um Daten schnell in einen sehr kritischen Kontext gestellt werden und weniger die Chancenseite beleuchtet wird – wie auch bei der Corona-App. »Da fehlt noch ein breites Verständnis von Daten, Statistik und KI, sowohl in der Bevölkerung, als auch in der Politik«. Passend dazu heißt es im Vodafone-Papier, es sei deswegen unglaublich wichtig, Skills im Umgang mit Daten aufzubauen, notwendige technische Infrastrukturen zu schaffen und so eine Kultur zu entwickeln, in der Diskussionen und Entscheidungen auf der Basis von Fakten also known as Daten – fußen.
Wegbegleiter in die digitale Zukunft
Spätestens jetzt ist klar: Data Scientists befinden sich in einer Schlüsselposition. Und auch ohne sofort die gesellschaftliche Revolution anzustoßen, zahlt sich ihr Einsatz für wirtschaftliche Unternehmen aus. Nur durch die sinnvolle Nutzung von Daten, geht Ehrentraut noch einen Schritt weiter, blieben sie auch während der Krise zukunftsfähig. Ein Vorteil hierbei ist, dass durch die blitzartige Digitalisierung vieler Prozesse neue Daten generiert wurden, die jetzt genutzt werden können. Der erste Schritt sei demnach, genau diese transparent darzustellen. »So können einerseits Defizite aufgezeigt und Prozesse optimiert werden. Andererseits ist es für die Weiterentwicklung der eigenen Geschäftsmodelle für Unternehmer*innen essenziell, Daten zu nutzen und ihre eigenen Produkte und Lösungen mit Künstlicher Intelligenz anzureichern«, ist sich die Expertin sicher. Die Aufgabe von Data Scientists ist es dabei, die Datenmengen zu analysieren und so weiterzuverarbeiten, dass sie auf die Bedürfnisse des Unternehmens zugeschnitten sind.
Auch bei den Unternehmen selbst scheint jetzt endgültig angekommen zu sein, dass Daten wahres wirtschaftliches Potenzial besitzen. 83 Prozent der IT-Entscheider*innen bestätigen dies und sogar 93 Prozent sagen, dass Daten bei der geschäftlichen Erholung und auch weiteren Entwicklungen eine Schlüsselrolle einnehmen werden. Gillhuber erlebt das tagtäglich: »Es ist wirklich eine enorme Nachfrage. Deswegen sind wir hier auch stark beschäftigt, bauen massiv auf und suchen händeringend nach weiteren Leuten, die uns unterstützen«. Denn es ist zu beobachten, dass Unternehmen zwar in den klassischen Geschäftsfeldern sparen, dafür aber in digitale Technologien investieren, die alle auf Daten basieren. Konkret bedeutet das für Absolvent*innen in diesem Bereich: Data Science keeps being the sexy Job!
Da kommt noch was
Lisa Ehrentraut ist sich sicher, dass die Nachfrage nach Data Scientists auch unabhängig von Corona hoch bleibt, vor allem im Hinblick auf die Entwicklung von Internet of Things, Big Data, Blockchain oder Spracherkennung. »Durch die digitale Transformation von Unternehmen werden vermehrt IT-Spezialist*innen benötigt, die auf operativer Ebene mit Daten arbeiten und Analysen erstellen«, so Ehrentraut. Besonders die Berufsfelder Marketing, Werbung, Produktmanagement und E-Commerce stehen dabei ganz hoch im Kurs. Mit Blick auf die Zukunft wird dort wohl vor allem die Entwicklung von Datenströmen und Algorithmen stärker fokussiert werden. Data Science sei ein Feld, dass sich mit rasender Geschwindigkeit weiterentwickele, weiß Jan. Vor allem Natural Language Processing, also das Verstehen von natürlicher Sprache durch Computer und Computer Vision, die Verarbeitung von Videos und Bildern, sind zwei Themenfelder, in denen sich gerade einiges tut. Hier erwartet er in den nächsten Jahren die stärksten Durchbrüche. Expertise in den Feldern KI und Machine Learning werde deswegen gerne gesehen.