Jochim Selzer ist Mitglied im Chaos Computer Club und wünscht sich weniger Hype und dafür mehr Sorgfalt in der IT:
Die Herausforderung: Qualitätssicherung ist mehr als ein ohne Fehlermeldung abgeschlossener Compilerlauf. Benutzbarkeit ist mehr als der Umstand, dass ein Programm nicht bei jedem zweiten Klick abstürzt, und es läuft auch nicht dadurch besser, dass Schilder wie »Blockchain«, »machine learning« oder was sonst gerade angesagt ist, darauf kleben.
Das wäre nötig: Gute Software ist dokumentiert und getestet. Die Tests führen nicht die Leute durch, die das Programm schreiben, sondern die es nutzen. Das Gleiche gilt für die Dokumentation. Datenschutz und Datensicherheit müssen bereits in die frühe Designphase einfließen und nicht erst hastig nachgeholt werden, wenn das Programm kurz vor der Veröffentlichung steht oder, schlimmer noch, bereits auf dem Markt ist und die ersten Fehlerberichte hereinprasseln.
IT sollte ein Fach sein, dem sich Leute widmen, weil sie Spaß an der geistigen Herausforderung haben, weil sie gute, neue Dinge erschaffen wollen und nicht, weil sie von siebenstelligen Gehältern träumen.
Prof. Barbara Deml leitet das Institut für Arbeitswissenschaft und Betriebsorganisation am Karlsruher Institut für Technologie. Sie wünscht sich, dass der Mensch in der IT mehr Beachtung findet:
Die Herausforderung: Ganz konkret würde ich mir als Hochschullehrerin wünschen, dass Studierende Vorlesungen in Echtzeit in ihrer Muttersprache hören können. Das wäre für viele ausländische Studierende ein großer Mehrwert. Einen solchen Lecture-Translator gibt es übrigens schon ansatzweise bei uns am Karlsruher Institut für Technologie. Als Forscherin würde ich mir auch eine noch smartere maschinelle Unterstützung bei der Wissensaufbereitung und Datenauswertung wünschen.
Das wäre nötig: Ganz unabhängig von meinen Ideen gefällt mir die Frage vor allem, weil unsere Wünsche ins Zentrum gestellt werden. Damit wird der Mensch als Gestalter der digitalen Zukunft betrachtet. Ich habe in letzter Zeit oft das Gegenteil beobachtet. Nämlich, dass vor allem Befürchtungen und Ängste die Anforderungen an digitale Innovationen treiben. Unabhängig von einem verantwortungsvollen Entwurf zukünftiger IT, erachte ich den wunschgetriebenen Ansatz für zielführender.
Elisabeth Allmendinger ist Expertin für Bildungspolitik & Public Affairs beim Bitkom e. V. und wünscht sich eine Stärkung der Informatik an Schulen und Lehrstühlen:
Die Herausforderung: Ob zum Kommunizieren, Lernen, Arbeiten, Informieren oder Amüsieren – für alles nutzen wir digitale Medien und Technologien. Digitalisierung gehört auch zum Alltag von Kindern und Jugendlichen und erreicht dabei immer jüngere Nutzerinnen und Nutzer: Mehr als jedes zweite Kind zwischen sechs und sieben Jahren nutzt mittlerweile zumindest ab und zu ein Smartphone. Spätestens ab dem zwölften Lebensjahr machen Kinder erste Schritte im Internet. Daher müssen sie schon in der Schule darauf vorbereitet werden, selbstbestimmt an einer digitalisierten Gesellschaft teilzuhaben, reflektierte Entscheidungen zu treffen sowie gesellschaftliche und ethische Fragen einschätzen zu können. Nur mit einem fundierten Verständnis für digitale Technologien kann die junge Generation unsere Gesellschaft in Zukunft verantwortungsvoll und mündig gestalten.
Das wäre nötig: Wir müssen den Informatikunterricht an Schulen neugestalten. Es darf nicht nur um das Erlernen von Programmiersprachen gehen. In den Lehrplan gehört auch, wie die Technologien im Alltag funktionieren, wie sie für kreative Denkprozesse genutzt werden können und welche Auswirkungen sie auf Gesellschaft und Kultur haben. Ein solcher Informatikunterricht muss außerdem bundesweit verpflichtendes Schulfach ab Sekundarstufe I werden und sollte auf der gleichen Stufe wie andere MINT-Fächer stehen. Lehrkräfte sollten schon im Studium verpflichtende Module zur Stärkung digitaler Kompetenzen besuchen. Gleichzeitig sollten Lehrstühle der Informatikdidaktik stärker gefördert werden.
Timothée Glörfeld ist IT-Consultant und studiert gerade Informatik im Master – er wünscht sich bessere Finanzierungsmöglichkeiten für »open source«-Projekte:
Die Herausforderung: Wenn ich mir was wünschen dürfte, dann dass es ein funktionie- rendes Geschäftsmodell für Open-Source-Soft- ware gäbe. Das ist ein grundlegendes Problem, das wir haben: Viel von der – auch kritisch wichtigen – Software, die wir für unsere Projekte verwenden, ist Open Source. Das funktioniert nur, weil große Tech-Unternehmen ihre Infrastruktur auf dieser Software aufbauen und diese sponsern. Gut zu wissen ist auch, dass Open- Source-Software insgesamt meist sicherer ist, da viele Personen sich die Software anschauen und Fehler ausmerzen können.
Das wäre nötig: Die Finanzierung kleiner Projekte ist für Entwickler schwierig – hilfreicher wären neue Finanzierungsansätze oder Geschäftsmodelle, die es ihnen ermöglichen, sich ganz auf ihre Open-Source-Projekte konzentrieren zu können – ohne den Entscheidungen ihrer Sponsoren ausgeliefert zu sein. Der Ausbau von Open-Source-Plattformen würde meiner Meinung nach die Entwicklungsarbeit und die damit verbundenen IT-Innovationen erleichtern.
Ulrike Erb und Karin Vosseberg wünschen sich, dass ökologische und soziale Nachhaltigkeit die Entwicklung von IT-Systemen bestimmen – die Informatik-Professorinnen lehren an der HS Bremerhaven und sind Mitglieder der Fachgruppe »Frauen und Informatik« der Gesellschaft für Informatik:
Die Herausforderung: Herstellung und Nutzung von IT-Systemen erfordern keine seltenen Bodenschätze und sind CO2-neutral. IT-Systeme unterstützen friedliche, allen Menschen nützende Zwecke und sind nicht auf Profitorientierung und Zerstörung von Lebensgrundlagen ausgerichtet. IT-Systeme haben offene Schnittstellen, sind leicht verständlich, barrierefrei und benutzungsfreundlich. Eine gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen unabhängig von Geschlecht, Alter und Herkunft ist in der Entwicklung und Nutzung von IT-Systemen gegeben.
Das wäre nötig: In allen gesellschaftlichen Bereichen muss auf ressourcen- und umweltschonende Herstellung wiederverwendbarer, langlebiger Hard- und Softwaresysteme hingewirkt und die durch IT-Einsatz erreichten Annehmlichkeiten und Vorteile gerecht verteilt werden. In der Informatik ist eine stärkere Sensibilisierung für die gesellschaftliche Verantwortung von Informatiker*innen nötig. Mindeststandards für sichere, datensparsame, barrierefreie, gebrauchstaugliche Systeme müssen überall in der IT-Gestaltung und -Verwendung eingehalten werden. Ein wichtiger Schritt auf diesem Weg ist die Entwicklung verstehbarer, zugänglicher, transparenter IT-Architekturen und -Infrastrukturen, die auf Open-Source-Software basieren. Entsprechende Kompetenzen sind in der Informatik-Ausbildung zu vermitteln.