Desinfektionsmittel an jedem Eingang, Mund- Nase-Masken, Einlassbeschränkungen – viel Neues und vorher Unvorstellbares brachte Corona mit sich. Jetzt ist all das für uns Alltag geworden. Vor der Pandemie dem Bargeld noch sehr treu, greifen wir Deutschen heute ohne mit der Wimper zu zucken zur Karte. Bargeldloses Zahlen ist angesagt und das in den früher undenkbarsten Situationen: „Viele Verbraucherinnen und Verbraucher zücken heute zum Bezahlen Karte oder Smartphone, wo lange nur Bargeld gefragt war – beim Bäcker zum Beispiel, in kleineren Restaurants oder beim Späti,“ erklärt Julia Höpfner, Leiterin Spezialvertrieb Zahlungsverkehr bei der Berliner Sparkasse, „Hygienebedenken, Bequemlichkeit oder Sicherheitsbedürfnisse – für das veränderte Kundenverhalten gibt es viele Gründe.“
Gewinner der Pandemie
Aber nicht nur der bargeldlose Zahlungsverkehr boomt, seitdem der Alltag von coronabedingten Sicherheitsvorkehrungen bestimmt ist. Trotz der Tatsache, dass die meisten von uns sich genauer überlegen, wofür sie ihr Geld ausgeben – E-Commerce darf sich in gewissem Maße und sehr vorsichtig als „Gewinner“ der Pandemie bezeichnen: Eine Steigerung um mehr als 14 Prozent konnte im Jahr 2020 laut dem Portal handelsdaten.de im Onlinehandel erzielt werden. Die Renner schlechthin sind dabei Kleidung und Technikartikel. Auch Konsumgüter des täglichen Bedarfs bestellen wir immer häufiger online – aber wen wundert’s, wissen wir doch alle über die Vorzüge in Sachen Bequemlichkeit und gesundheitlicher Sicherheit von Online-Einkäufen Bescheid.
Wächst die Branche wirklich?
Aus dieser Entwicklung lassen sich schnell Vermutungen und Schlussfolgerungen ziehen. Zum Beispiel müsste doch die E-Commerce- und Banking-Branche enorm wachsen und so auch die Nachfrage an neuen, hochqualifizierten Arbeitskräften schlagartig nach oben gehen – oder? So leicht ist es dann aber doch nicht. Blicken wir auf den Bereich Bezahlsysteme und picken uns dort den Faktor Mitarbeitende raus: Die Berliner Sparkasse konnte in 2020 eine komplett neue siebenköpfige Einheit gründen, die ausschließlich für den Zahlungsverkehr von Firmenkunden verantwortlich ist. Mit von der Partie ist hier sogar ein Trainee mit VWL-Bachelor. Laut Höpfner ist es insbesondere der Beratungsaufwand, der sich immer weiter steigert – schließlich müssen selbst die kleinsten Einzelhändler*innen auf Trends reagieren und den Kund*innen Kartenzahlung ermöglichen. Die S-Payment GmbH, ein Tochterunternehmen des Deutschen Sparkassenverlags sieht schon in den letzten 2 bis 3 Jahren einen Anstieg im Mitarbeitendenbedarf: „Corona hat dieses Interesse und damit den Bedarf weiter gesteigert, war allerdings nicht der anfängliche Auslöser.“ Ein klares Ja oder Nein auf die Frage, ob Corona nun dazu führt, dass an manchen Enden auch mehr Arbeitsplätze geschaffen werden, gibt es also nicht.
Mehr Interesse, mehr Jobs?
In Sachen Online-Handel sieht es ganz ähnlich aus. Ein gesteigertes Interesse an Online-Käufen bedeutet nicht gleich mehr Arbeitsplätze. Klar ist: Viele Einzelhändler*innen haben während der Pandemie kaum eine andere Wahl gehabt, als ihre Geschäfte in die virtuelle Welt zu verlagern. Um einen Webshop aus dem Boden zu stampfen braucht es dabei nicht immer qualifiziertes Personal aus dem Informatikbereich. Viele Anbieter wie beispielsweise Squarespace oder Wix stellen Templates bereit, mit denen man beinahe jede Website erstellen kann – und das ganz ohne viel IT-Knowhow. Eine vorsichtige Vermutung aber ist, dass IT-Dienstleistungsunternehmen dieser Art über einige Zeit hinweg einen erhöhten Bedarf an Mitarbeitenden haben werden.
Großes Feld
Der E-Commerce ist ganz allgemein gesehen ein riesiges Feld, in dem sich Informatiker*innen austoben können und an allen Ecken und Enden gebraucht werden: Jonas Beetz, App-Entwickler bei der Baur- Tochter empiriecom zum Beispiel: Er rät allen Anwärtern im Bereich E-Commerce, vor allen Dingen Lust auf Neues mitzubringen: »Ganz überspitzt gesagt: Was heute State of the Art ist, kann morgen schon Schnee von gestern sein.« Um das Stichwort ›Lebenslanges Lernen‹ kommen Absolventen in dieser Branche nicht herum. So beschäftigt sich Beetz beispielsweise mit der rasanten Entwicklung von Desktop hin zu Mobile – einem Trend, der schon lange anhält. Immer mehr Desktop-Tätigkeiten werden inzwischen am Smartphone erledigt, etwa das Einkaufen per App. Hier kommt die Arbeit von Jonas Beetz ins Spiel: »Auch wenn es stressig wird und die Gefahr herrscht, in die Entwickler-Welt abzutauchen, muss ich die Denk- und Herangehensweise unserer Kunden immer auf dem Schirm haben. Sie dürfen nicht das Gefühl haben, dass die App nur mit jahrelangem IT-Studium bedienbar ist.« Von Softwareentwickler*innen in der Front- und Backendprogrammierung über IT-Security- Fachfrauen und -männer bis zu IT-Consultants oder Datenbankentwickler*innen – die Liste ist lang und hört beim Onlinehandel selbst nicht auf, schließlich sind zum Beispiel auch Logistik und Buchhaltung in großen Teilen abhängig von der IT. Die Corona-Krise alleine sorgt also nicht für bessere Chancen auf einen Arbeitsplatz in der Branche Onlinehandel und Bezahlsysteme, aber über kurz oder lang wird dieser Bereich für uns alle immer wichtiger werden.