»Fluid Concepts and Creative Analogies« – John Wrainwright besitzt noch immer die Originalrechnung des Buches von Douglas R. Hofstadter. Er hat es 1995 gekauft – als erster Kunde von Amazon – damals, als Bücher noch die einzige Produktkategorie des Onlineversandhändlers waren. Es ist kaum vorstellbar, dass unser Konsumalltag heute von dem geprägt ist, was einst – noch keine 30 Jahre her – eine genauso kaum vorstellbare Utopie war: Egal, was wir brauchen, mit einem Klick ist es in ein paar Tagen bei uns zu Hause.
Keep on moving
Der E-Commerce macht heute rund 12,2 Prozent des Umsatzes im Einzelhandel aus. Unabhängig vom Krisenjahr 2020 ist die Tendenz steigend. »Wir haben einen Aufstieg im Onlinehandel eigentlich seit Gründung. Das hat sich in den letzten zehn Jahren schon deutlich beschleunigt. Jeder Bereich im Onlinehandel wächst weiterhin «, sagt Ingo Bertram, Pressesprecher bei Otto. Corona sei definitiv ein Booster gewesen, aber vor allem haben die Menschen online Dinge bestellt, die sie zuvor noch nie bestellt hatten. »Als zum Beispiel die Friseure schließen mussten, ist in kürzester Zeit die Nachfrage nach Haar- und Bartschneidern regelrecht explodiert«, erinnert sich Bertram.
Auch das Wohlfühlen in den eigenen vier Wänden ist uns in Zeiten von Homeoffice wichtiger geworden: Einrichtung ist einer der Trends beim Onlineshopping. Technologien wie Augmented Reality helfen uns beim Kauf. Wir können uns ansehen, wie das Möbelstück bei uns zu Hause aussieht, virtuell Brillen anprobieren oder Haarfarben testen. Aber CGI (Computer Generated Imagery) ist nur die Spitze des Eisbergs in der Welt des E-Commerce. »Dieses Gebiet ist per se extrem in Bewegung. Es tut sich ständig etwas«, meint Michael Rohrmüller, CEO der E-Commerce Agentur Pixelmechanics. Ähnlich sieht es auch Rolf Schumann, Vorstandsvorsitzender für Digitalisierung/ Online bei der Schwarz Gruppe (u.a. Lidl, Kaufland): »Das Kaufverhalten und die Anforderungen der Kunden entwickeln sich stetig weiter. Dementsprechend müssen wir auch mit digitalen Technologien und Neuerungen ständig am Puls der Zeit sein. Das macht E-Commerce so spannend.«
Berufsbuffet E- und M-Commerce
So dynamisch das Feld ist, so unterschiedlich sind die Tätigkeiten und Berufsaussichten für Informatiker*innen. »Wir suchen Tech- Talente in fast allen Bereichen. Von Developern für das Backend und Frontend, über Mobile-Developer für iOS und Android bis hin zu Produkt- und Data Science-Experten. Die Aufgaben sind vielfältig, zumal sich der E-Commerce ständig weiterentwickelt und wir stark wachsen«, sagt Andreas Engel, Pressesprecher von Lieferando. Für die Entwicklung und technische Umsetzung von Online- Shops sind vor allem die Software Developer zuständig. Sie arbeiten eng mit Software Architects, Produktmanager*innen und Requirement Engineers zusammen, »die das Anforderungsmanagement betreiben und am Ende die Anforderungen übersetzen können, damit das Entwicklungsteam die Produkte perfekt entwickeln und zuschneiden kann«, erklärt Nils Birke, HR-Marketing-Manager bei Otto. Auch Mobile-Developer für iOS und Android-Apps werden stark nachgefragt. Denn mittlerweile kauft jeder zweite Deutsche via Smartphone ein. Damit liegt der Mobile-Commerce als bevorzugter Kanal inzwischen sogar vor dem klassischen Online-Shopping am Desktop. Das merkt man auch bei ALDI: »Der M-Commerce, als nächste Stufe des E-Commerce, wird dabei weiterhin an Stellenwert gewinnen, solange dieser einen wirklichen Nutzen für den Kunden bietet. Die Entwicklung rund um ›mobile first‹ schreitet weiter voran.«
Stichwort: Omni-Channel. Die Verknüpfung aller Vertriebskanäle eines Unternehmens ermögliche es, nicht nur nahtlos zwischen den verschiedenen Kanälen zu wechseln, sondern sie simultan zu nutzen. »Unsere Kundinnen und Kunden erwarten zunehmend ein Produkt- und Serviceangebot, das immer stärker vernetzt ist und einer modernen Customer-Journey entspricht. Dazu gehört es, alle Berührungspunkte enger miteinander zu verbinden, egal ob online oder offline«, erklärt Rolf Schumann. Wir legen etwas online in den Warenkorb und bestellen es später per App. Wir klicken und collecten. Und egal, wie wir einkaufen, wir hinterlassen Spuren. Stichwort Big Data. Im E-Commerce fallen enorme Datenmengen an, mit denen man – wenn sie richtig genutzt werden – das Verhalten und die Kaufentscheidungen der Kund*innen nachvollziehen kann. Das Aufbereiten dieser unstrukturierten Daten, sodass dem Unternehmen diejenigen Informationen bleiben, die es tatsächlich benötigt, übernehmen Data Engineers. Sie sorgen dafür, dass die Daten überhaupt erst analysiert werden können. »Was können wir aus den Daten gewinnen/erkennen, um wirklich kundenwirksame Produkte zu entwickeln?«, fasst Nils Birke die Aufgabe der Data Analysts und Data Scientists zusammen. Deren Aufgabe ist es nicht nur, Muster und Trends in den vorliegenden Daten zu erkennen, sondern auf dieser Grundlage Vorhersagen und Entscheidungen für das Unternehmen zu treffen. Wenn es um Daten geht, spielt auch Künstliche Intelligenz eine wichtige Rolle: Sie wird dazu eingesetzt, um uns Produkte vorzuschlagen, die uns tatsächlich interessieren. Durch die Personalisierung entsteht ein individuelles Einkaufserlebnis und die Kundenzufriedenheit steigt.
Trend it up
Der E-Commerce ist ein Sektor, der IT-Spezialist*innen nicht nur willkommen heißt, sondern vor allem braucht; da sind sich die Expert*innen einig. »Der Bedarf an IT-Nachwuchskräften wird weiter wachsen, erstens weil die Branche selbst in wirtschaftlich turbulenten Zeiten sehr schnell wächst und zweitens die IT-Infrastruktur des digitalen Handels immer komplexer wird und immer mehr Anwendungsbereiche und Services umfasst«, erklärt Frank Düssler vom Bundesverband E-Commerce und Versandhandel. Und egal, ob Developer, Data Scientist oder Software Architect, die Arbeit im E-Commerce setzt vor allem eins voraus: Lebenslanges Lernen. Sich nicht nur an neue Technologien und Trends anzupassen, sondern sie mitzugestalten. Denn fragt man Michael Rohrmüller, welche Sparten besonders vom Onlinehandel profitieren, ist er sich sicher: »Alle. Einfach nur alle.«