Frau Wohlfarth, wie kommen Sie auf Ihre Ideen?
Meine Unternehmensideen sind bei der Zusammenarbeit mit Kund*innen gekommen. Die erste Unternehmensidee kam 2008: Ich war im Key Account Management bei einer Firma tätig, die Online-Bezahllösungen angeboten hat. Einer der Kunden wünschte sich, dass neben Paypal und Kreditkarte auch Rechnungskauf, Ratenzahlung und lokale Zahlarten in das virtuelle Kassensystem integriert werden können, damit sie den Endkund*innen ein einheitliches Zahlsystem bieten können. In meiner alten Firma war die Umsetzung leider nicht möglich, weshalb ich mir dachte: »Ok, dann mach ich es eben selbst.« Ich hatte bereits seit dem Jahr 2000 in der Digital-Branche gearbeitet und immer zugeschaut, was denn die Gründer*innen gemacht haben und festgestellt: So eine Rocket-Science ist Gründen gar nicht. Wichtig ist, Dinge zusammen zu halten und immer einen guten Überblick zu haben. Deshalb habe ich mich dann selbst getraut und »RatePay« gegründet.
Die Idee für »Banxware« kam auch durch die Arbeit mit Kund*innen: Im Gespräch kam heraus, dass den Plattformen Lösungen für Liquiditäts-Themen fehlen – wie kommt man schnell an notwendige Geldmittel? Banken haben hier oftmals keine beziehungsweise viel zu spät Kredite bewilligt. Ich habe mich mit dem Thema auseinandergesetzt und festgestellt, dass es keine zufriedenstellende Lösung gibt und dachte mir: »Dann mache ich selbst nochmal was Neues.« Die Ideen sind immer durch die enge Zusammenarbeit mit dem Kunden oder der Kundin gekommen. Ich glaube, man muss auf seine Kund*innen hören, damit man die richtigen Produkte entwickelt und nicht anders rum – Produkte entwickeln, von denen man denkt: »Die passen.«
Wenn Sie sagen: »Ich mache das selbst«, wie gehen Sie vor?
Noch war gar nicht die Idee: »Ich mach das jetzt!«, da. Erstmal habe ich das Grundproblem mit bestehenden Kontakten erörtert. Und wir haben uns so langsam hochgesteigert, bis wir dann gesagt haben: »Ok, wir machen das jetzt zusammen. « Also, wie geht man vor? Ich glaube, es ist wichtig, sich mit Personen auszutauschen, mit denen man potenziell ein Unternehmen gründen kann. Ich glaube nicht daran, dass so komplexe Unternehmensideen im Alleingang umsetzbar sind, da Einzelgründungen sehr schwierig sind. Ich selbst hatte die Idee und die Vision, aber nicht das technische Know-how für die Entwicklung meiner Geschäftsideen – da brauche ich immer ein Team an meiner Seite.
Voraussetzung ist hier, dass man sich bereits ein Netzwerk aufgebaut hat.
Genau. Jungen Leuten rate ich, sich rege auszutauschen. Ich finde es sehr schade, dass der aktive Austausch zwischen Wissenschaft und Unternehmertum bisher nur an wenigen deutschen Universitäten stattfindet. Ich glaube, hier muss mehr passieren: Wir haben in Deutschland ganz tolle Forschung, wir haben tolle Universitäten, aber noch zu wenige tolle Initiativen.
Welche Skills lernen Studierende der Wirtschaftswissenschaften, die wichtig für das Gründen sind?
Im Studium lernt man, sich selbst zu organisieren und wie man lernt. Und im Prinzip ist ein Unternehmen ja eine Selbstorganisation, in der man sich selbst disziplinieren und sich immer wieder Dinge eigenständig beibringen muss. Ganz wichtig ist auch Zuhören – nicht nur das, was man selbst denkt, ist gut. Die Kund*innen sind divers und haben auch diverse Meinungen.
Welche Eigenschaften sind noch gefragt?
Man muss sich ein dickes Fell zulegen – neudeutsch heißt das Resilienz. Es ist nicht alles Sonnenschein: Der eine Tag läuft super, der andere Tag ist einer, bei dem man denkt: »War wieder nichts.« Es ist immer ein bisschen wie Achterbahn fahren – das macht es aber auch spannend. Man muss durchhalten und sich bewusst sein, dass es immer auch Rückschläge geben kann. Es ist außerdem wichtig, ein diverses Team zu haben, denn wenn das Team aus ganz ähnlichen Leuten besteht, haben wir viel weniger Vielfalt und entwickeln auch schlechtere Produkte, meiner Meinung nach.
Was empfehlen Sie jungen Gründer*innen für den Start?
Es gibt Gründertreffen, bei denen man sich austauschen kann – nehmt an diesen teil. Und habt keine Angst vor dem Scheitern. Wir brauchen mehr junge Leute, die sich trauen. Ich kann immer nur betonen: »Was ist denn das Schlimmste, was passiert, wenn es nicht klappt?« Vielleicht war es ein Jahr, in dem man weniger Geld verdient hat, ok. Aber man hat so viel dazu gelernt, selbst wenn man scheitert. Heute, aus Arbeitgebersicht, kann ich sagen, dass mir bei der Bewerbung, Menschen, die schonmal was gegründet haben, fast lieber sind, als Leute, die bisher eine Konzernkarriere hatten.
Und falls es doch nicht klappt mit dem Gründen – dranbleiben oder lieber einen »normalen« Job suchen?
Ich kann nur empfehlen, dran zu bleiben. Denn wenn man das Gründen schafft, dann hat man den besten Beruf überhaupt. Die Zufriedenheit unter Gründer*innen ist meistens sehr groß, da sie sich selbst verwirklichen können. Und das ist etwas, was man in einem ganz normalen Angestelltenverhältnis in dieser Form nie haben wird. Ich bin froh, dass ich das machen darf, was mir Spaß macht – ich habe meinen absoluten Traumberuf.
»Jeder Tag ist anders – das hält einen flexibel im Kopf.«
Gibt es den »richtigen» Zeitpunkt für die Gründung?
Ich kann empfehlen: »Relativ bald.« Wenn ich mich für diese Art von Job interessiere, dann würde ich vielleicht mal ein bis zwei Jahre in einem Start-up mitarbeiten. Bei »Banxware« hat man die Möglichkeit als »Venture Architect« in verschiedene Bereiche eines Start-ups reinzuschnuppern. »Venture Architects« sind junge Leute, die Lust haben, selbst mal was zu gründen, aber erstmal ein bisschen Erfahrung sammeln möchten. Vorteilhaft ist, dass man sich fragen kann: »Was will ich eigentlich machen? In welchem Bereich möchte ich arbeiten – im Bereich Investor Relations, im Bereich Finance oder lieber im Marketing und Vertrieb? Was liegt mir eigentlich? Was macht mir Spaß?« Ich würde den Leuten raten, früh zu gründen und nicht so lange damit zu warten. Denn wenn man lange wartet, wird man in der Regel immer unfreier – wenn man älter wird, dann hat man mehr Versicherungen, man hat vielleicht eine Immobilie, man hat vielleicht ein Kind – und viele Menschen haben dann mehr Angst zu gründen.
Meinen Sie, dass es deshalb auch vergleichsweise wenig Frauen in der Gründerszene gibt?
Ja, das ist durchaus möglich. Zum einen fällt die Gründungsphase oft in die Phase der Kinderplanung – das ist für viele ein großes Unsicherheits-Faktum. Dabei sind Start-ups sogar relativ kinderfreundlich – man kann sich ja selbst die Arbeitszeiten legen. Aber natürlich ist die Arbeitsbelastung schon sehr hoch in der Gründungsphase – das ist kein 8-Stunden-Tag.
Wie können mehr Frauen für das Gründen begeistert werden?
Ich glaube, wir müssen den jungen Frauen mehr Vorbilder zeigen. Bei der Berufsfindung orientiert man sich ja häufig an Bildern, die man im Kopf hat – wenn da keine Unternehmer sind und vor allem keine Unternehmerinnen – dann denkt man gar nicht erst an dieses Berufsbild.
Da sind Sie ja direkt ein sehr gutes Vorbild.
Danke. Meine Tochter ist mit »RatePay« aufgewachsen – ich habe das Unternehmen gegründet, bevor sie in die Schule gegangen ist. Das war nicht immer einfach, aber es hat alles funktioniert. Wir haben das hingekriegt und meine Tochter ist heute ganz stolz darauf.
Wird das Berufsbild »Gründen« in zehn Jahren etabliert sein?
Ich würde es mir wünschen. Wenn Deutschland ein Land bleiben will, das wirtschaftlich nachhaltig erfolgreich ist, dann muss sich das Berufsbild »Gründen« etablieren. Der komplette Mittelstand, den es heute in Deutschland gibt – die Säule auf dem unser Land fußt – das waren alles mal Start-ups. Der Mittelstand von morgen, sind die Start-ups von heute – hier muss noch etwas passieren: Aus den Universitäten und der Forschung heraus, müssen mehr Gründungen erfolgen. Und deshalb hoffe ich sehr, dass »Gründen« ein etablierter Beruf wird und dass sehr viele Studierende sagen: »Das möchte ich gerne machen.«
Haben Sie schon große Pläne für das Ende der Pandemie beziehungsweise für die nächsten zehn Jahre?
»RatePay« übergebe ich in andere Hände – jedes Unternehmen braucht in jeder Entwicklungsstufe eine andere Form der Führung. »RatePay« wird jetzt sehr groß und ich glaube, es braucht ein anderes Management. Ich bin eher das passende Management für eine kleinere Firma – ich mag das Aufbauen, das Neue, das macht mir total Spaß. Deshalb gebe ich das eine Unternehmen jetzt ab. Das andere Unternehmen »Banxware« bauen wir gerade noch auf – ob ich das in zehn Jahren noch mache, weiß ich nicht. Mein Ziel ist es, dass aus »Banxware« ein nachhaltig erfolgreiches Unternehmen wird. Es soll ein Unternehmen sein, das Substanz hat und überleben kann. Natürlich wünsche ich mir, dass »Banxware« in zehn Jahren der Standard für digitale Kreditentscheidungen ist. Das wäre schön.