Künstliche Intelligenz Roboter
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Alexa, sei leise! – Sprachbasierte Tools auf dem Arbeitsmarkt

Chatbots und kommunikative Telefonservices – Welche Rolle spielt KI? Laut einer aktuellen Studie der Gesellschaft zur Förderung der Unterhaltungselektronik, haben fast 66 Prozent aller Deutschen schon einmal einen digitalen Sprachassistenten wie Alexa oder Siri genutzt. Was vor zwanzig Jahren noch Science-Fiction war, ist mittlerweile gang und gäbe. Ein moderner Smart Home-Besitzer des 21. Jahrhunderts betritt das Haus und richtet seine Stimme zuerst an ein imaginäres Etwas, um beispielsweise das Licht anzuknipsen. Simple Lichtschalter: überbewertet. Doch was steckt hinter dieser Technologie, was finden wir daran so faszinierend und wo werden heutzutage sprachunterstützte Systeme verwendet?

 

Innovations-Katylsator Pandemie

Denken wir an stimmbasierte Künstliche Intelligenz, kommen uns gleich die praktischen Alltagshelfer Siri, Cortana, Alexa oder der Google Assistant in den Sinn. Technologien wie diese werden mittlerweile sowohl im Privat- als auch im Business-Bereich eingesetzt. Durch die Pandemie haben sich Innovationen auch in ganz anderen Bereichen durchgesetzt. So ist es dem mittelfränkischen Start-up »VITAS« gelungen, ihren Sprachassistenten für Telefonanfragen in Corona-Hotlines zu implementieren. Ursprünglich sollte der KI-basierte Assistent für Tisch-Reservierungen in Restaurants dienen. »Als wir erfuhren, dass die Gastro geschlossen wird, haben wir innerhalb von drei Wochen umgeswitched und unser Programm auf die Bedürfnisse der Corona-Hotlines angepasst« erinnert sich Tobias Bäumler, einer der drei VITAS- Gründer. Laut Bäumler ist einer der vielen Vorteile von Start-ups: Agilität. Die kurzen Wege, Freiheit im Arbeitsalltag und die hohe Kundenorientierung ermöglichen eine kurze Reaktionszeit auf Trends und gesellschaftliche Entwicklungen.

 

KI ist überall! Stimmt das?

Forschungen zu Künstlicher Intelligenz und neuronalen Netzwerken gibt es schon seit einigen Jahren. Inzwischen hat sich dieses Thema aber zu einem regelrechten Hype entwickelt. Woran liegt das? Die hohe Rechenleistung, die dafür benötigt wird, ist inzwischen besser ausgebaut. Außerdem kommt hinzu, dass viele finanzielle Mittel in die Entwicklung von KI fließen. »Nahezu jede neue Software der letzten zwei bis drei Jahre beinhaltet Künstliche Intelligenz «, so der Gründer der Neohelden GmbH in Karlsruhe, Dr. Kiryo Abraham. Bei KI geht es darum, menschliches Wissen zu imitieren. Die Basis bildet dabei Maschinelles Lernen. Algorithmen durchforsten große Datenmengen nach Übereinstimmungen und ziehen Schlussfolgerungen. Wissenstransfer, den ein Mensch beherrscht, kann diese Technologie allerdings nicht nachahmen.

 

KI-Systeme in der Industrie 

Das High-Tech Start-up »Neohelden« aus Karlsruhe hat vor rund drei Jahren einen KI-basierten Sprachassistenten für Unternehmen entwickelt. Das Besondere an ihm: »Neo« ist adaptiv und kann in verschiedene Systeme integriert und sogar von den jeweiligen Unternehmen selbst weiterentwickelt werden, quasi branchenunabhängig. Das Tool soll Mitarbeiter*innen über Sprache bei der Abwicklung von Prozessen helfen. Besonders in der Industrie ist »Neo« vielversprechend. Warum gerade in der Industrie? Kiryo Abraham findet in diesem Zusammenhang verschiedene Aspekte spannend: »Durch Sprache kann der Arbeitsprozess effizienter gestaltet werden, denn Sprache ist natürlich und funktioniert schneller als das geschriebene Wort. Die Arbeitssicherheit wird erhöht, da sich der Nutzer weiterhin auf seine Hände und beispielsweise die zu reparierende Maschine konzentrieren kann. Außerdem sparen sich die Mitarbeiter*innen das lästige Protokollieren nach der Wartung beziehungsweise nach dem Prozess, da »Neo« den Mitarbeitenden durch den gesamten Prozess begleitet und die Daten direkt an der richtigen Stelle ablegt.« Sprache ist in ihrer Anwendung sehr praktisch und intuitiv, findet auch Tobias Bäumler von VITAS. »Deshalb greifen auch in der digitalisierten Welt von heute Kund*innen immer noch am liebsten zum Hörer und möchten mit jemandem sprechen «, stellt er fest. Einfache Anliegen könnten in Zukunft mehr und mehr durch automatisierte Beantwortung zum Standard werden. Er geht davon aus, dass in naher Zukunft das Telefon der bevorzugte Kanal bleiben wird.

Andererseits ist bei der Entwicklung solcher Assistenten viel Hirnschmalz gefragt, denn »Sprache ist nicht einfach zu handeln«, macht der Gründer von Neohelden deutlich. Die menschliche Sprache existiert bei den Anwender*innen oft nicht in ihrer reinen Form. Umgangssprache, Dialekt, Störgeräusche oder gebrochenes Deutsch können mögliche Faktoren sein, die bei der Programmierung beachtet werden müssen.

 

Wen baucht es für die Entwicklung?

Nicht nur die Neohelden und VITAS entwickeln sprachbasierte Tools. Auch MoinAI aus Hamburg und Thingsthinking aus Karlsruhe schreiben sich die Forschung und Entwicklung von Sprache in KI-basierten Tools auf die Fahne. Der Chatbot von MoinAI soll Kundenkommunikation besser und effizienter machen. Aber wie können junge Absolvent*innen in Unternehmen wie diesen Fuß fassen? »Wir schalten unsere Stellenausschreibungen über die typischen Online-Kanäle wie LinkedIn, Stellenwerk, etc. Jobmessen auf denen genetzwerkt wurde fanden aufgrund der Pandemie leider nicht statt. Außerdem haben wir kein klassisches Büro, das sich von anderen Büroräumen abgrenzt, sondern nutzen Co-Working-Spaces. Darüber finden wir auch das ein oder andere neue Teammitglied «, erklärt einer der Gründer von MoinAI, Patrick Zimmermann. Vor allem Data Scientists, Machine Learning Expert*innen aber auch Mathematiker*innen und Programmierer*innen braucht sein Team. Mit der Anwendung »semantha « entwickelte Thingsthinking ein KI-basiertes Tool, das komplexe Schriftstücke in kurzer Zeit für den*die Nutzer*in verständlich macht. »semantha« funktioniert aber nicht wie die einfache Wörtersuche in Word. »Das Tool versteht tatsächlich Zusammenhänge, Kontext und verschiedene Formulierungen, analysiert sie und liefert dem*der Anwender*in die Informationen, nach denen gesucht wurden«, erklärt Dr. Mathias Landhäußer, einer der Gründer von Thingsthinking.

Dabei spiele es keine Rolle, ob es um eine Gebrauchsanweisung, einen Vertrag oder einen komplexen Vorgang in einer Maschine geht. Denn »das Schöne an der Technologie ist, dass sie nicht einer bestimmten Branche zugeordnet ist, sondern ihrer Methode «, so Landhäußer. Sein Start-up braucht Computerlinguistiker*innen, Software-Engineers und UX-Designer*innen aber auch »Leute, die die Prozesse beim Kunden verstehen. Etwa 40 Prozent unseres Teams ist für die Kundenkommunikation zuständig und hat nichts mit Programmieren und Künstlicher Intelligenz am Hut«. Außerdem sieht Landhäußer ein Problem darin, dass Programmierer*innen im Studium selten Anwendungsbeispiele aus der Praxis an die Hand bekommen und sehr theoretisch ausgebildet werden. Meistens programmieren die ITler*innen nur für andere ITler*innen, in der Realität sieht das allerdings anders aus. Denn ITler*innen, die künftig in Unternehmen arbeiten, um Software für das Enterprise-Umfeld zu schreiben, müssen diese auch für Nicht-ITler*innen benutzbar und wartbar machen können.

Bei den Neohelden sind Front-End- und Back-End- Entwickler*innen unverzichtbar. Die Front-End-Entwickler*innen übernehmen bei den Neohelden auch das Designen. Full- Stack-Entwickler*innen, die das KI-Know-how besitzen und dedizierte Entwickler*innen machen neben Vertriebler*innen das Team komplett. Beim Kunden nimmt ein dreiköpfiges Expertenteam, bestehend aus Projektleitung, Conversational Designer*in und ITler*in die jeweiligen Nutzer*innen an die Hand. Conversational Designer*innen versuchen den Sprachassistenten so menschlich und hilfsbereit wie möglich zu machen. Dabei ist es auch wichtig zu wissen, welche Fachtermini in bestimmten Branchen üblich sind und wie die Mitarbeitenden angesprochen werden sollen und wollen. All das kann laut Dr. Kiryo Abraham individuell an das jeweilige Unternehmen angepasst werden. Vermehrt wird in der Tech-Branche davon gesprochen, dass die Interaktion durch Sprache die Interaktion der Zukunft sein wird. Und auch Dr. Kiryo Abraham, der auch am KIT referiert, ist sich sicher, dass sprachbasierte Assistenten im B2B-Bereich in den nächsten Jahren zunehmend an Bedeutung gewinnen. Außerdem legt er Studierenden der Informatik nahe, das Thema Sprache in der Softwareentwicklung ernst zu nehmen und sich im Bereich KI schon während des Studiums weiterzubilden.


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