»Einige Leute nennen es künstliche Intelligenz, aber in Wirklichkeit wird uns diese Technologie verbessern. Ich denke also, dass wir statt künstlicher Intelligenz unsere Intelligenz erweitern werden.« Ginni Rometty, CEO und Präsidentin von IBM
Neue Welten
Wusstest du, dass KI eigentlich seit Jahrzehnten ein Thema ist? Wenn dir das nicht klar war, liegt das vor allem daran, dass sich die Definition der Begrifflichkeit stark verändert hat. Dr. Eike Langbehn, Professor an der HAW Hamburg erklärt: »KI-Technologien sind schon lange fest überall dort verbreitet, wo Informatik oder Software drin ist. In Computerspielen sind das klassischerweise Gegner, gegen die man spielt oder Wegfindungs-Algorithmen, die einem auf der Reise von A nach B helfen. Heutzutage versteht man darunter meistens Machine Learning. Viel geforscht wird vor allem daran, dass man sich tatsächlich mit virtuellen Spielfiguren unterhalten kann und die Spielwelt ein bisschen realistischer wird.« Du siehst, egal ob in »Super Mario«, »Die Siedler« oder »Last of Us«, KI spielte schon immer – mehr oder weniger – eine Rolle bei der Entwicklung von Games.
KI schon fest im Sattel
KI oder eher gesagt das »Machine Learning« soll nun also auch die Gamingbranche verändern. Auch wenn man sich an die neue Definition hält, macht sie das schon lange. Denn laut Felix Falk, Geschäftsführer des game-Verbands, hat die Zukunftstechnologie schon jetzt einen nicht zu unterschätzenden Einfluss: Schon seit vielen Jahren wird in mehreren sehr unterschiedlichen Bereichen auf KI gesetzt: Das reicht von der Entwicklung der Spiele bis zum Community-Management. Auch als ›Trainingsgelände‹ für unterschiedliche Arten von KI werden Games schon seit vielen Jahren verwendet, etwa für das autonome Fahren.« Wie du siehst, spielt die Games-Branche also auch umgekehrt eine Rolle, wenn es um die Entwicklung von KI geht. Generell ist kaum eine Branche so prädestiniert wie die Games-Branche: »Bereits beim Erstellen von Prototypen wird KI eingesetzt, etwa um erste Ideen für das Artdesign zu entwickeln. Später werden mittels Künstlicher Intelligenz ›Assets‹, also einzelne Elemente in der Spielwelt, erstellt oder Bugs im Spiele-Code gesucht«, so Falk. Viele Bereiche also, in denen die Künstliche Intelligenz schon zum Tragen kommt.
Death of the Creatives?
Wenn KI jetzt schon in so vielen Bereichen eingesetzt wird, stellt sich die Frage, welche positiven und negativen Aspekte die Entwicklung haben kann. Jörg Burbach, Professor für Game Design an der IU Internationale Hochschule, bringt ein bisschen Licht ins Dunkel: »Die Chancen sind – denke ich – dass sich viele Spiele-Entwickler mit ganz neuen Möglichkeiten konfrontiert sehen. Besonders im Bereich des Prototyping sehe ich großes Potenzial. Ein Beispiel ist, dass schon in einer Demo für einen Publisher Sprachausgabe mit hoher Qualität enthalten sein könnte und das mit einem Budget, für das echte Sprecher nicht zu haben sind.« Doch derzeit sei die KI noch nicht in der Lage, gut ausgebildete und erfahrene Sprecher ersetzen zu können. Generell könnte Künstliche Intelligenz ein ganz bestimmtes Problem hervorrufen: »Nehmen wir als Beispiel die Musik«, fährt Burbach fort.
»Generische Hintergrundmusik für TikTok oder YouTube lässt sich mit wenig Geld und Aufwand durch eine generative KI erstellen. Aber dabei bleibt die Diversität auf der Strecke. Es klingt alles gleich, sieht alles gleich aus und die Geschichten lesen sich gleich. Ich habe in den 90er Jahren viel Musik am Computer gemacht und in 2023 einige Tracks mit einer generativen KI machen lassen. Bisher haben mehr als 80 Prozent der Befragten erkannt, welche Titel selbst geschrieben und welche KI-gemacht worden sind.« Auch Felix Falk sieht die Vorteile, unterstreicht aber auch die Wichtigkeit von kreativen Köpfen: »Zwar wird die Künstliche Intelligenz mehr Aufgaben übernehmen, damit am Ende aber dennoch ein spannendes Spiel entsteht, muss die KI auch zielgerichtet eingesetzt werden. Vielmehr werden KI-Systeme den Entwicklerinnen und Entwicklern helfen, Standardaufgaben schneller und effizienter zu lösen. Dadurch bleibt mehr Zeit für die wichtigen Arbeitsschritte.«
KI kann eine Allzweckwaffe sein, du hast aber die Chance, am Ende trotzdem deinen eigenen Stempel aufzudrücken und musst es sogar tun, damit ein Spiel nicht unter einer Vielzahl von Konkurrenten untergeht. Wir stellen also fest, dass die Kreativität auf keinen Fall ausstirbt, wenn gute und besondere Spiele entwickelt werden sollen. Die KI könnte eher als Helfer für lästige Aufgaben dienen und damit den Workflow bei der Spieleentwicklung deutlich steigern. Wenn wir über das Online-Gaming sprechen, müssen wir aber noch eine Gefahr benennen, die nicht unterschätzt werden darf. Dr. Eike Langbehn macht sich vor allem beim Thema Jugendschutz berechtigte Sorgen: »Auch jetzt liegen im Online-Gaming schon große Gefahren, wenn man sich überlegt, mit wem Kinder und Jugendliche online in Kontakt kommen können. Wenn die KI jetzt menschliches Verhalten noch realistischer darstellen kann, ist es dort auch viel schwerer zu unterscheiden, ob man gerade mit einem Menschen oder einer KI Kontakt hat.« Das kann im schlimmsten Fall zu finanziell bedrohlichen – oder sogar lebensgefährlichen Situationen führen.
Neue Klassen freigeschaltet
Umso wichtiger ist es für dich natürlich zu wissen, inwieweit sich das Berufsbild ändert und welche neuen Skills du benötigst. »Die zukünftigen Games-Entwickler und Entwicklerinnen werden drei Dinge benötigen: Talent und Handwerk wie bisher und Technik. Die ersten beiden sind ohnehin die notwendige Basis für einen kreativen Beruf. Aber in Zukunft ist es in jedem Fall nötig, sich mit KI und anderer Technik auseinanderzusetzen – sei es, um sie zu benutzen oder sie nicht zu benutzen«, beschreibt Burbach.
»Die Entscheidung kann ja schließlich auch sein, KI aktiv abzulehnen. Für die korrekte Verwendung des Outputs einer KI muss die entsprechende Person jedoch Erfahrung und Talent haben und das Handwerk beherrschen. Hier geht es aber nicht darum, zu viele Finger zu erkennen, sondern die Stimmigkeit einer Grafik oder eines Objektes bewerten zu können.« Das muss natürlich nicht bedeuten, dass du in deiner Kreativität eingeschränkt wirst, doch die Kontrollaufgaben bei der Spielentwicklung könnten in den nächsten Jahren auf die KI übergehen.
Spieleinstellungen überarbeiten?
Bedeutet das jetzt für dich, dass du die Lerninhalte deines Studiengangs überdenken musst? Keine Angst: So schlimm ist es nicht. »Man beschäftigt sich am besten frühzeitig mit KI und sollte ein Verständnis dafür entwickeln«, empfiehlt Langbehn. »Am Ende muss man kein KI-Experte werden, aber man sollte die Entwicklung auch nicht unterschätzen oder ignorieren und sich mit ihr befassen. Dann ist man für die Zukunft ganz gut aufgestellt.«
Schaut man sich den Arbeitsmarkt und die Entwicklung innerhalb der Gamingbranche an, solltest du danach Ausschau halten, was gesucht wird. Viele Entwickler mussten sich in den letzten Jahren von Mitarbeitenden trennen und die Unsicherheit in der Branche ist spürbar. Doch Angst ist ein schlechter Ratgeber. Das sieht auch Jörg Burbach so: »Bei jedem neuen Medium wurde der Tod des vorhergehenden prognostiziert. Schallplatte, Kassette, CD, MP3, Streaming. In 2024 werden Kassetten und Schallplatten wieder in großen Stückzahlen verkauft. Sie sind laut einer Übersicht, die Mitte März 2024 herauskam, der Wachstumstreiber – nicht das Streaming alleine. Ich nehme an, dass es auch am immer gleichen Klang der Produzenten für den Streaming-Markt liegt, dass Schallplatten eine Renaissance erlebt haben. Und genau da liegt ja eine Möglichkeit, sich selber einzubringen. Manche Studierende haben ihren Stil schon gefunden, andere finden ihn im Studium, wieder andere im Job – das hängt auch von den Menschen ab, mit denen man sich umgibt, die inspirieren. Und dieser eigene Stil und die Ideen sind das, was wir den KI-Systemen voraus haben, denn deren Aufgaben sind in erster Linie ein Remix des bereits Existierenden.«
Wir halten also fest: Ja, KI wird die Gamingbranche in den nächsten Jahren weiter verändern. Doch, wenn du aufgeweckt und offen mit KI umgehst, kannst du davon profitieren. Denn im Grunde ist die KI nur ein Werkzeug, um die Entwicklung von Spielen in einigen Punkten zu vereinfachen. Deine Kreativität und deine Ideen können Games immer noch den eigenen Stempel aufdrücken und das wird sich auch so schnell nicht ändern. Leg also los und hab deinen Anteil am nächsten »Spiel des Jahres«!