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Fleißstempel!

Raus aus der freien Wirtschaft und rein ins Bildungswesen – mit Quereinstieg gegen den Lehrkräftemangel

Lehrkräftemangel in Deutschland – inzwischen so sicher wie das Amen in der Kirche. Traurig aber wahr und in den letzten Jahren hat sich an dem Notstand des Bildungspersonals kaum etwas getan. Deshalb setzen die Bundesländer inzwischen auf neue Taktiken, um ihre Schülerinnen und Schüler unterrichten zu können – auf Seiteneinsteiger beziehungsweise Quereinsteiger. Hier werden Personen mit einer entsprechenden fachlichen Vorbildung, die ihr Studium nicht »auf Lehramt« absolviert haben, gezielt eingesetzt. An welcher Stelle es besonders Nachholbedarf gibt und ob wir vielleicht bald gar nicht mehr um fehlende Lehrkräfte bangen müssen, klären wir für euch. Dafür haben wir den Präsidenten des Deutschen Lehrerverbandes Stefan Düll und das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus (StMUK) um eine Einschätzung gebeten.

 

Wer ist Schuld? Die Kinder!

Nachdem vor ein paar Wochen bekannt wurde, dass die Geburtenrate seit 2021 deutlich gesunken ist, sollte man meinen, das Problem »Lehrkräftemangel« wäre vom Tisch. Naja, so einfach ist das wiederum nicht. Bevor der Coronaknick erheblichen Einfluss auf das Nachwuchsverhalten nahm, stieg bis 2021 die Geburtenrate in Deutschland stetig an. Laut Hochrechnungen
kamen bis zur Coronazeit jährlich ungefähr 795.00 Kinder auf die Welt und diese müssen folglich sechs Jahre später auch die Schulbank drücken. Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes Stefan Düll berichtet hierzu: Die Prognosen dahingehend liegen im Grundschulbereich so, dass ab dem Schuljahr 2026/27 der Lehrkräftemangel überwunden sein könnte. Dennoch kann es immer zu unvorhersehbaren Ereignissen kommen. Vor allem im demographischen Bereich, der von der weltpolitischen Lage beeinflusst wird, kann es Überraschungen geben. Auf die faule Haut legen ist also nicht! Weiterführend berichtet Düll: »Lehrkräfteverbände haben seit Jahren auf die sich entwickelnde Situation hingewiesen. Der Deutsche Lehrerverband und seine Mitglieder fordern seit langem, dass in Zeiten ohne Lehrkräftemangel auch über Bedarf Stellen geschaffen werden und eingestellt wird, damit in Zeiten des Lehrkräftemangels dieser nicht so stark ausfällt. »Als Ideal sieht der Deutsche Lehrerverband eine Lehrkräfteversorgung von 130 % an.« So gäbe es kleinere Klassen, bessere Vertretungsangebote und weniger Unterrichtsausfälle.

 

Wo fehlt was?

Bundesweit fehlt vor allem Personal, das die MINT-Fächer oder auch Kunst und Musik unterrichtet. Gerade an Grund-, Förder- und Berufsschulen fehlen momentan noch die meisten Lehrkräfte. Laut einer Einschätzung des StMUK gibt es hier großen Bedarf in Grund- und Mittelschulen. Laut Berechnungen des Bildungsforschers Klaus Klemm und der Friedrich-Ebert Stiftung liegt der Lehrkräftemangel bis 2035 bei ungefähr 127.000 unbesetzten Stellen deutschlandweit. Jetzt gibt es mehr Kinder, aber weniger Menschen entscheiden sich für ein Lehramtstudium. Unis reagieren und bieten mehr Studienplätze an und senken den NC. Dennoch plädiert Herr Düll, dass an der grundsätzlichen Attraktivität des Berufsbildes zu arbeiten ist. Diese beginnt dort, wo Jugendliche die Schule als einen ansprechenden Arbeitsort wahrnehmen. »Wenn die Gebäude saniert und gut ausgestattet sind, die Technik nicht hinterherhinkt und Lehrkräfte nicht überlastet werden und Zeit haben, auf ihre Schülerinnen und Schüler einzugehen, ist das eine gute Werbung für den Beruf.«

 

Und wie geht das jetzt mit dem Quereinstieg?

Inzwischen geht es nicht mehr ohne. Natürlich ist die Lage in jedem Bundesland unterschiedlich. In Berlin könnte ohne Quer- und Seiteneinsteigende die Unterrichtsversorgung nicht mehr
aufrecht erhalten werden. Die Personen müssen natürlich auch ausreichend auf ihre Tätigkeit vorbereitet werden. Dabei sind sich der Deutsche Lehrerverband und das StMUK einig: Es benötigt eine gründliche Qualifizierung im didaktisch-methodischen und pädagogischen Bereich. Fachkenntnisse alleine reichen also nicht aus, falls du dich nun für die Lehrertätigkeit berufen fühlst. In Bayern läuft gerade die #imherzenlehrer-Kampagne, die sich genau an Personen mit akademischem Abschluss richtet, die genug von der freien Wirtschaft haben und sich für den Beruf als Lehrkraft begeistern. Dieser Weg in den Lehrberuf beginnt mit einer zweijährigen Vorbereitungszeit und nach einem Examen sind die Absolvierenden mit grundständig studierten Lehramtsabsolventen gleichzusetzen. In der Vorbereitungszeit durchläuft man ein pädagogisches Qualifizierungsprogramm, das auf die Anforderungen und Bildungsziele der jeweiligen Schulart zugeschnitten ist. Vergütet wird in der Zeit nach den Anwärterbezügen der jeweiligen Schulart. Einen Lichtblick am Ende des Tunnels im Lehrkräftemangel gibt es, wenn auch nur einen kleinen. Letztes Jahr gab es ein Plus von 1,6 Prozent der Studienbeginner im Lehramt. Trotzdem bleiben die Quereinsteigenden unverzichtbar.


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