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COOL MIND

Stracciatella und Erdbeereis kann jeder... hast du schon mal MINT bestellt? Die Nachfrage auf dem technischen Arbeitsmarkt ist besonders hoch und man wirkt an der Entwicklung der Gesellschaft mit. Wir haben bei den MINT-Expertinnen genauer nachgefragt.

Wer wird gerade in MINT-Berufen gesucht?

Im März 2024 liegt die MINT-Arbeitskräftelücke bei 244.000 Personen in allen Berufsgruppen. MINT-Fachkräfte (Ausbildungsberufe) bilden die größte Engpassgruppe, gefolgt von MINT-Experten (Akademikerberufe) und MINT-Spezialisten (Meister und Techniker). Schaut man sich die einzelnen MINT-Bereiche genauer an, ergeben sich die größten Engpässe in folgenden Berufsfeldern: Energie-/Elektroberufe (77.900), Maschinen-/Fahrzeugtechnik (45.400), Bauberufe (36.700), Metallverarbeitung (30.900) und IT-Berufe (29.500). Julia Betz – Referentin Bildungsmonitor und MINT Kompetenzfeld Bildung, Zuwanderung und Innovation, Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V.

Die Befragung der Unternehmen ergab, dass für die Transformation in den Bereichen
Digitalisierung und Klimaschutz der Bedarf an Fachkräften in MINT-Berufen in den kommenden Jahren stark zunehmen wird. Speziell für die Entwicklung klimafreundlicher Produkte und Technologien erwartet ein Großteil der Betriebe einen steigenden Bedarf an IT-Expertinnen und Experten, an Ingenieurinnen und Ingenieuren und an beruflich qualifizierten MINT-Fachkräften. Für den Wechsel zu Erneuerbaren Energien brauchen wir zum Beispiel Solarteurinnen und Solarteure, Windkraftanlagentechnikerinnen und -techniker sowie Wärmepumpeninstallateurinnen und  -installateure. Diese Berufsbilder sind noch relativ neu. Susanne Lettner – Leiterin Marketing und Kommunikation, MINT Zukunft e.V.

 

Was hilft gegen den aktuellen MINT-Fachkräftemangel?

Wir müssen MINT als Berufsfeld für junge Menschen attraktiver machen, damit sich mehrere für ein MINT-Studium oder eine MINT-Ausbildung entscheiden. Und zwar für die drei großen Bereiche Schule, Studium, Berufswelt. Für Schule heißt dies, mehr praxisbezogene Fragestellungen im Unterricht einbauen. Ebenso brauchen wir erst einmal in allen Klassenstufen einen zuverlässigen und qualitätsvollen MINT-Unterricht. Flächendeckend müssen Informatik und Technik an Schulen angeboten werden. Auch die Schülerlabore an den Universitäten müssen wir stärken, um mehr Kinder und Jugendliche für Technik und Wissenschaften zu begeistern. Stipendien im MINT-Bereich besonders für sozial benachteiligte Studierende können helfen, mehr Studierende für MINT-Fächer zu motivieren. Immer noch hängt Informatik und Technik das Klischee »männlich geprägt« und »mit hohem Nerd-Faktor« an. Positive Darstellungen in Film, Serien, Social Media und Medien können Studien zufolge Berufsbilder langfristig verändern. Auch die Bedeutung von MINT-Studiengängen für die Nachhaltigkeit, wie etwa die Lösung von Menschheitsproblemen, sollte mehr betont werden. Susanne Lettner

Kurzfristig sollten die Potenziale von Frauen, Älteren sowie Zugewanderten besser genutzt werden. Es braucht klischeefreie Orientierungsangebote, Feedbacksysteme und Role Models, um Mädchen und junge Frauen besser zu stärken. Das Potenzial älterer Arbeitskräfte sollte durch lebenslange Lernangebote unterstützt werden, was in Zeiten sich schnell ändernder Kompetenzanforderungen, zum Beispiel im Rahmen der Digitalisierung, von großer Bedeutung ist. Die Zuwanderung spielt bereits eine wichtige Rolle im Rahmen der Arbeitskräftesicherung. Doch auch hier können Maßnahmen ausgebaut werden, wie zum Beispiel die Zuwanderung direkt über die Hochschule. Mittel- und langfristig ist es entscheidend, im Bildungssystem anzusetzen. Ein Fokus sollte auf dem Abbau von Chancenungleichheiten liegen, damit alle Schülerinnen und Schüler ihren Bildungsweg bestmöglich bestreiten können. Auch sollte die MINT-Bildung in Schulen gezielt gestärkt werden, etwa auch durch den Ausbau digitaler Bildung. Damit eine Stärkung dieser Bildung gelingt, ist es unabdingbar die Verfügbarkeit gut ausgebildeter Lehrkräfte sicherzustellen – fächerübergreifend, aber gerade auch in den MINT-Fächern. Julia Betz

 

Wie sieht es mit Frauen und Diversity in den MINT-Berufen aus?     

Selbst wenn Frauen ein MINT-Studium absolviert haben, entscheiden sie sich seltener als Männer, tatsächlich einem MINT-Beruf nachzugehen. Wir haben immer noch das Problem, dass sich Mädchen in MINT-Fächern oft schlechter einschätzen, sie von den Eltern schlechter eingeschätzt werden und dass sie sich weniger häufig für eine MINT-Laufbahn entscheiden, auch wenn sie ein grundsätzliches Interesse haben. Gerade beim Klimaschutz ist es zum Beispiel so, dass vor allem Mädchen und junge Frauen für dieses Ziel und Thema sensibilisiert sind, aber das spiegelt sich nicht in den MINT-Studierendenzahlen wider. Deswegen ist es auch wichtig, die gesellschaftliche Relevanz von MINT stärker herauszustellen. Die Förderung von Diversität im MINT-Bereich ist nicht nur vor dem Hintergrund des Fachkräfteengpasses wichtig. Diversität trägt auch zu einer höheren Kreativität und Innovationskraft bei. Julia Betz

Das Potenzial von Frauen wird in MINT-Berufen laut der Zukunftsstrategie der Bundesregierung in wichtigen Bereichen bisher nicht hinreichend genutzt. Die Expertise und Kreativität von Frauen muss in naturwissenschaftlich-technische Forschungs- und Innovationsprozesse stärker eingebunden werden, wenn wir weiterhin zukunftsfähige Lösungen in Deutschland entwickeln wollen. Wenngleich der Frauenanteil in MINT-Studienfächern insgesamt gestiegen ist, sind Frauen in MINT-Fächern und akademischen MINT-Berufen weiterhin unterrepräsentiert. Laut der aktuellen Studie des Statistischen Bundesamts sind mehr als ein Drittel der Studienanfängerinnen und -anfänger im MINT-Bereich Frauen. Trotz der guten Aussichten auf dem Arbeitsmarkt entscheiden sich Frauen nach wie vor seltener für ein Studium in einem MINT-Fach als Männer. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, ist der Frauenanteil unter den Studienanfängerinnen und Studienanfängern im MINT-Bereich allerdings gestiegen. Während er 2002 noch bei 31 Prozent lag, betrug er 2022 bereits 35 Prozent. Dabei gibt es große Unterschiede zwischen den verschiedenen MINT-Fächern: Am höchsten war der Frauenanteil 2022 in Innenarchitektur (87 Prozent), am niedrigsten in Fahrzeugtechnik (8 Prozent). In Informatik lag der Frauenanteil unter den Studienanfängerinnen und Studienanfängern bei knapp 23 Prozent. Beispielhaft zeigt sich diese Unterrepräsentanz in den Ingenieurwissenschaften: Hier liegt im Jahr 2021 der Frauenanteil bei den Studierenden im ersten Hochschulsemester in Deutschland sowie bei den Abschlüssen im Erststudium bei unter 30 Prozent (Statistisches Bundesamt 2022). Wer sich als Frau für MINT interessiert, kann sich gerne umschauen und beteiligen bei »Komm, mach MINT« und MINTvernetzt, beim Girls Day und auch bei Frauen-Netzwerken mitmachen wie dem deutschen Ingenieurinnenbund, Femtec oder beim internationalen Women in Technology (WITI) Netzwerk. Susanne Letttner

 

Arbeitslosigkeit bei MINT-Beschäftigten? Wie kann das sein, wo die Nachfrage so hoch ist?

Bundesweit sind (Stand März 2024) 213.900 Personen arbeitslos gemeldet, die gerne einem MINT-Beruf nachgehen würden. Die Arbeitslosigkeit lässt sich zum Teil damit erklären, dass zwischen einzelnen MINT-Berufskategorien keine vollständige Substituierbarkeit besteht. So kann etwa eine Person, die in einem Biologieberuf arbeitslos gemeldet ist, in der Regel keine offene Position als Maschinen- und Fahrzeugtechniker besetzen oder umgekehrt. Weiterhin können Gründe unter anderen in fehlenden Qualifikationen oder unzureichender Berufserfahrung liegen. Julia Betz

 

Wie hat sich der Arbeitsmarkt im MINT-Bereich in den letzten zehn Jahren verändert?

MINT-Berufen gehört die Zukunft. Um auch in Zukunft den wachsenden Anforderungen einer hochtechnologischen Wirtschaft gerecht zu werden, verfolgen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik in zahlreichen Kampagnen das Ziel, die Attraktivität technischer Ausbildungen und Berufe weiter zu erhöhen. Angesichts des demografischen Wandels und des steigenden Bedarfs an MINT-Arbeitskräften haben Studierende mit einem Hochschulabschluss gute Berufschancen. Mittel- und langfristig wird sich am Arbeitskräftebedarf nichts ändern. Dieser werde sogar stark zunehmen. Zugleich ist in den kommenden Jahren ein starker Rückgang beim MINT-Nachwuchs zu erwarten, obwohl die Arbeitsbedingungen in den entsprechenden Berufen weiterhin sehr gut sind. Für die Zukunft sehe ich einen deutlich steigenden Bedarf an Fachkräften. Susanne Lettner

Insbesondere im Bereich der Digitalisierung haben sich die Beschäftigtenzahlen in den letzten Jahren schon sehr dynamisch entwickelt. Zum Vergleich: Während im Zeitraum 2012 bis 2023 die Beschäftigung von MINT-Fachkräften insgesamt um 3,4 % zugenommen hat, ist die Beschäftigung speziell von IT-Fachkräften um 84,9 % gestiegen. Neben der Digitalisierung wird auch die Dekarbonisierung in den kommenden Jahren eine immer größere Rolle spielen. Für die Entwicklung klimafreundlicher Technologien und Produkte werden die Bedarfe an entsprechenden MINT-Kräften wie Umwelt-Ingenieuren, ansteigen. Julia Betz

 

Wie sieht es mit dem Zuwachs im  MINT-Bereich aus?    

In den kommenden Jahren ist mit einem Rückgang von MINT-Absolventen zu rechnen: Die Zahl der Studienanfänger ist in den letzten Jahren gesunken, die Abbrecher- und Wechselquote gestiegen. In 2016 betrug die Zahl der MINT-Studierenden im ersten Hochschulsemester 198.000, in 2023 sind es nur noch 179.500. Auch langfristig ist von einer weiteren Reduzierung des MINT-Arbeitskräfteangebots aus dem Inland auszugehen. Vergleichsstudien zeigen, dass die MINT-Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler zurückgehen. Weiterhin zeigt PISA auch, dass die Motivation und Freude am Fach Mathematik sinken. Dies dürfte sich langfristig auch in einem sinkenden Interesse an MINT-Studiengängen oder MINT-Ausbildungen widerspiegeln. Julia Betz

 

 

Thinking … of MINT

Andrea Moosleitner, Applikationsingenieurin bei PTC

Berufseinstieg
Ich habe nach dem Abitur eine Ausbildung zur technischen Zeichnerin gemacht. Damals wurden Auszubildene nicht automatisch übernommen, deshalb habe ich ein Maschinenbaustudium, Fachrichtung Konstruktionstechnik, absolviert. Wir waren ca. 80 Studenten, davon waren sechs Frauen. Während ich die Diplomarbeit geschrieben habe, hatte ich durch Zufall Kontakt zu PTC und daraus ergab sich dort mein Berufsstart.

Aufgaben und Arbeitsalltag
Meine Aufgaben sind vielfältig: Zum einen erstelle ich gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen im Vertrieb Präsentationen, um bestehenden oder neuen Kunden unsere aktuellsten Produkte und Produkt-Module vorzustellen und über Entwicklungen und Trends zu informieren. Eine weitere Aufgabe ist es, bei Ausschreibungen und Benchmarks mitzuwirken, bei denen PTC gegen Mitbewerber antritt. Auch gehört es zu meinen Aufgaben, jüngere Kollegen und Kolleginnen und andere Abteilungen zu unterstützen.

Wie ist es als Frau in einem MINT-Beruf?
Fast mein ganzes Berufsleben hatte ich mit dem Thema »Frauen und Technik« zu tun. Frauen waren immer die Ausnahme und mussten sich mehr bewähren als Männer. Zum Beispiel musste ich bei Präsentationen den Kunden oft erklären, dass ich Diplom-Ingenieurin und wirklich kompetent bin, um die Technik zu erläutern. Vor allem ältere Konstrukteure waren voreingenommen. Zum Glück gilt das nicht für PTC. Die Kollegen haben mich sehr unterstützt. Über die Jahre hat sich das gebessert, weil nun immer mehr Frauen in der Technik und auch in Führungspositionen sind. Es gibt aber noch Luft nach oben. Ich finde, Mädchen und jungen Frauen sollte nicht immer suggeriert werden, sie könnten keine Mathematik oder hätten kein technisches Verständnis. Das fängt oft im Elternhaus an und setzt sich im Kindergarten und in der Schule fort. Bei PTC habe ich inzwischen auch viele Kolleginnen in der Technik. Besonders schön finde ich, dass wir aus unterschiedlichen Bereichen kommen, vom Maschinenbau über Mathematik bis zu Softwareentwicklung und Design.

 

 

Der MINT-Anteil der Frauen nimmt von der Schule (47 %) über berufliche Bildung und Studium (23 %) bis hin zu Beruf (17 %) permanent ab.

Übrigens ist Deutschland eines der wenigen Länder, das eine MINT-Ausbildung anbietet. Der Techniker ist sogar einem Bachelor gleichgestellt.

audimax Eventtipp: MINT-Festival am 06.07.2024 in Karlsruhe
 


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