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Brilliant. Frauen in der IT

Das Erbe von Ada Lovelace & Grace Hopper

Im Schuljahr 2020/21 betrug der Anteil der Schülerinnen in allen Leistungskursen der gymnasialen Oberstufe knapp 55 Prozent. Der Anteil der Mädchen, die einen Leistungskurs im Fach Informatik belegten, lag jedoch nur bei 15,7 Prozent, so die Zahlen der Kultusministerkonferenz und die Berechnungen der Initiative #FrauWirktDigital des Kompetenzzentrums Technik-Diversity-Chancengleichheit. 21 Prozent der Bachelor- und 22,8 Prozent der Masterabschlüsse im Fach Informatik wurden 2022 von Frauen erworben, gibt das Statistische Bundesamt an. Eine Promotion in diesem Bereich erlangten 2020 jedoch nur 16,7 Prozent des weiblichen Geschlechts, der Anteil der weiblichen Professuren fiel sogar noch zwei Prozentpunkte geringer aus. Auch im Arbeitsleben liegt der Frauenanteil der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Experten und Expertinnen der Berufsgruppe »Informatik« laut Digitalstrategie der Bundesregierung im Sommer 2021 nur bei 16 Prozent.

Diese niedrigen Zahlen rufen zurecht ein Stirnrunzeln hervor. Besonders, wenn wir uns die Geschichte der Informatik in den Sinn rufen: Zu den brilliantesten Köpfen der Informatik zählt z. B. Gräfin Ada Lovelace, die um 1840 in London lebte. Die Tochter des bekannten Dichters Lord Byron kam in den Genuss, eine für ihre Zeit ungewöhnliche Ausbildung zu erhalten: Die junge Frau wurde von einem Hauslehrer in den Fächern Mathematik und Astronomie unterrichtet. Ada Lovelace gilt als Entwicklerin des ersten Computerprogramms und Visionärin auf dem Gebiet der Informatik. Ada schuf beispielsweise »die Grundlagen für Analytics nach unserem heutigen Verständnis und stellte bereits im 19. Jahrhundert Vorüberlegungen zur möglichen KI von Maschinen an«, erklärt das Fraunhofer IIS, das mit dem ADA Lovelace Center for Analytics, Data and Applications eine Kooperationsplattform für Wissenschaft und Wirtschaft im Bereich der Künstlichen Intelligenz geschaffen hat.

Früh übt sich

Im Herbst 2022 wird in Hamburg diskutiert, ob Informatik als Pflichtfach an Schulen eingeführt werden sollte. Prof. Ira Diethelm von der Gesellschaft für Informatik erklärt für das Projekt #FrauWirktDigital, dass ohne Informatik die Schule nicht mehr allgemeinbildend sei: »Informatik ist die Bezugswissenschaft der Digitalisierung. So wie es nötig ist, die Grundprinzipien der Naturwissenschaften zu kennen, um die Natur und ihre Phänomene zu verstehen, ist es nötig, dass alle Kinder und Jugendlichen – insbesondere auch alle Mädchen – die langlebigen Grundprinzipien der Informatik kennen, denn darauf lassen sich die oft kurzlebigen Phänomene der digitalen Welt zurückführen. Ohne Informatik sind die Heranwachsenden nicht mündig, nicht in der Lage, sich des Verstandes ohne die Anleitung eines anderen – ob männlicher Experte oder KI – zu bedienen.« Das Projekt wurde auf Initiative von #SheTransformsIT und der Stiftung Mercator ins Leben gerufen, um Leitlinien auszuarbeiten, die unter anderem dazu beitragen sollen, die Frauenzahl im IT-Bereich zu erhöhen. Begeisterung für Informatik entstehe oft durch zufällige Begegnungen, fährt Diethelm fort: »Gerade durch das Pflichtfach Informatik schaffen wir diese Begegnungen und Gelegenheiten, die die Mädchen sonst nicht gehabt hätten.« Besonders wichtig sei außerdem, dass die Themenauswahl im Unterricht möglichst viele Kinder – verschiedener Geschlechter und Herkunft – anspricht. Weitere Maßnahmen, um speziell Mädchen für die Informatik zu begeistern, nennt Wiebke Raho vom Verein »Women in Tech e. V.«: »Zukunftstage und moderne Berufsinformationsprogramme von Arbeitsagenturen können hilfreich sein, aber auch Ferienangebote von Universitäten und Fachhochschulen wie z. B. der Kinder-Campus. Und besonders wichtig ist es, Vorurteile bereits im Kindesalter abzubauen, um das Interesse an IT-Themen nicht schon frühzeitig im Keim zu ersticken.«

Ikone Grace Hopper

Beide Expertinnen erzählen, dass weibliche Vorbilder – beispielsweise Informatik-Lehrerinnen – einen Anreiz für junge Mädchen und Frauen liefern können. Informatik-Pionierin Grace Hopper besitzt definitiv Vorbildcharakter: Die Mathematikerin war beispielsweise an der Entwicklung der Programmiersprache COBOL (Common Business Oriented Language) beteiligt und gab Software-Fehlern, den sogenannten »Bugs«, ihren Namen. Im Zweiten Weltkrieg trat sie der U. S. Navy bei und half beim Bau der ersten programmierbaren Großrechenanlage »Mark I«. Nach Kriegsende widmete sie sich zunächst den Folgemodellen der Großrechenanlage und wirkte zudem Anfang der 50er Jahre an der Entwicklung des ersten kommerziellen Computers »UNIVAC I« mit – für diese Maschine entwickelte Hopper den ersten Compiler (A-0) der Computergeschichte. Neben ihren herausragenden Erfindungen setzte sich »Amazing Grace« – wie Hopper in der Navy genannt wurde – für verschiedene Frauenberufsorganisationen ein. Sie erhielt zahlreiche Auszeichnungen – unter anderem den Ada Lovelace Award von der Association of Women in Computing – und seit 1994 wird die größte US-amerikanische Tagungsserie von Frauen im Computerbereich nach ihr benannt – die »Grace Hopper Celebration of Women in Computing«.

Netzwerk´ dich hoch

Neben Tagungen seien für den konkreten Berufseinstieg Netzwerke in vielerlei Hinsicht hilfreich, erklärt Ulrike Struwe vom Projekt #Frau-WirktDigital. Vernetzung und Erfahrungsaustausch sei bereits an der Hochschule, im Berufsleben, über Social-Media oder im Unternehmen möglich. Zudem gibt es spezielle Frauen-Netzwerke, die Unterstützung bieten, um in der männerdominierten IT-Branche Fuß zu fassen. »Netzwerken hilft dabei, Ängste und Zweifel zu beseitigen«, ergänzt Wiebke Raho, »Selbstbewusstsein kann im Mentoring oder bei einem zwanglosen Gespräch aufgebaut werden.«

Einstieg gut, alles gut?

Für Unternehmen ist es häufig schwierig, die weiblichen Talente, die sich für den Einstieg in die IT-Branche entschieden haben, auch dauerhaft im Unternehmen zu halten. Der Bericht »Frauen in der ITK Branche 2022« der #SheTransformsIT Initiative des Branchenvereins Bitkom e. V. ermittelt, dass nur bei drei Prozent der Unternehmen eine eigene Gleichstellungs- bzw. Frauenbeauftragte für die Gleichstellung und Karriereplanung von Männern und Frauen im Unternehmen zuständig ist. In jedem fünften Unternehmen ist die Gleichstellung »CEO-Sache«, so das Untersuchungsergebnis. Hingegen haben 73 Prozent der Unternehmen bereits erkannt, dass gemischte Teams produktiver sind und 85 Prozent der befragten Betriebe erklären, dass Frauen neue Ideen und andere Sichtweisen einbringen. Es bleibt also zu hoffen, dass sich in Zukunft weitere brilliante Frauen in die Geschichte der Informatik einreihen können. Die Informatik-Vorreiterinnen Ada Lovelace und Grace Hopper im Gedächtnis, gibt Wiebke Raho jungen Frauen, die sich für eine Karriere in der Informatik interessieren, den abschließenden Tipp: »Machen.«

 

Quellen: frauen-informatik-geschichte.de; anitab.org; th-luebeck.de; bitkom.org


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