In Baalbek steht einer der am besten erhaltenen römischen Tempel der Welt. Aufgrund seiner Nähe zu Syrien sind Besucher in den Ruinen fast alleine unterwegs. / Foto: Maximiliane Rink

Auslandssemester im Libanon

Ihr Studium führte Maximiliane in den Libanon, wo politische Unsicherheit den Alltag prägt. Diesem schlechten Image hat das Land einiges entgegenzusetzen, findet sie

Ein Studienjahr im Libanon zu verbringen, so wurde mir schon im Vorfeld durch zahlreiche Gespräche klar, ist ungewöhnlich. Aber das ist auch mein Studiengang, der mich in den Libanon führte. Nach Jahren der aufgeheizten Diskussion über die Rolle von Religion in der Gesellschaft entschied ich mich, neben meinem Studium der Evangelischen Theologie noch einen Bachelor mit dem Schwerpunkt Islamwissenschaft zu beginnen. Daraus ergab sich, zunächst ohne viel Nachdenken, auch das Ziel meines Auslandsaufenthalts: Ein Land, in dem ich mein gesprochenes Arabisch verbessern und zugleich weiter Theologie studieren kann.


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Es geht, so entschied ich, in den Libanon, in dessen Hauptstadt Beirut sich die einzige evangelische Hochschule im Nahen Osten befindet. Um dort studieren zu können, bewarb ich mich bei dem Studienprogramm des Ems, das den Aufenthalt vor Ort organisiert und in Zusammenarbeit mit einem Stipendium von ›Brot für die Welt‹ auch den Großteil der Kosten für Studiengebühren, Unterkunft und Verpflegung im Studentenwohnheim deckt.

 

Da auch das Visum über das Ems organisiert wird, beschränkten sich meine Vorbereitungen in der Folge auf alles, was ich im Internet an Nützlichem über das Land finden konnte. Dabei fing meine Recherche schon bei den Basics an: Wenig wusste ich über das kleine Land am Mittelmeer, viel sollte ich in zwei Semestern lernen.

Aufbruch in den Libanon

Wenige Wochen später ging es los. Ich landete in einem Land mit einer Fläche, die halb so groß ist wie Hessen, auf der 18 anerkannte Religionsgemeinschaften, vier Millionen Einwohner und momentan, so schätzen die Vereinten Nationen, knapp zwei Millionen Geflüchtete leben. Ein ›Schmelztiegel sich überlagernder Kulturen, Religionen, Sprachen‹, so schreibt Pierre Jarawan in seinem Roman ›Am Ende bleiben die Zedern‹, der sich als Vorbereitung auf einen Auslandsaufenthalt im Libanon wunderbar eignet, um das Lebensgefühl dieses Landes einzufangen. Bevor mich selber dieses Lebensgefühl packte, war ich allerdings erst mal eins: überfordert. Beirut, diese laute und schnelle Stadt, fing mich ein, während ich in den ersten Wochen versuchte, meinen Alltag zu organisieren.

Im Studentenwohnheim der Universität einen Ruhepol zu haben, habe ich dabei zu schätzen gelernt, auch wenn ich in Deutschland das Leben in einer WG bevorzuge. Laut, schnell – alles, was das Leben in Beirut anstrengend und herausfordernd macht, so begriff ich nach meiner Eingewöhnungsphase, spiegelt zugleich das Spannende der Stadt: Sie ist ein Haufen pulsierenden Lebens.

Leben im Augenblick

Sichtbare und unsichtbare Narben des Bürgerkriegs bestimmen den Puls der Stadt heute genauso mit wie die unsichere politische Situation der letzten Jahre.

Die Grenze zum Nachbarland Israel wird durch eine Blauhelmmission der UN geschützt und die Syrienkrise umschließt das Land im Norden und Osten. Zu häufig haben die Menschen in Beirut erlebt, wie politische Unsicherheit ihr Leben auf den Kopf stellt. Um dem etwas entgegenzusetzen, heißt Leben hier für viele: Leben im Augenblick.

In unserem Stadtviertel in Hamra, in dem auch die größte Universität des Landes, die American University Beirut, liegt, gibt es kaum eine Stunde, in der nicht an der Hauptstraße gesessen und Shisha geraucht wird. Das Ausgehviertel Mar Mikhael wandelt sich vom frühen Abend an in eine lange Partymeile, die in der ganzen Region bekannt ist, und auch die reiche Oberschicht kommt in schicken Cafés und sündhaft teuren Restaurants auf ihre Kosten. Was die Menschen in Beirut zu verbinden scheint, ist, ihre Stadt trotz aller Widrigkeiten zu genießen, jeder auf seine Weise.

Libanon: Land und Leute

Neben der Beiruter Stadtkultur, die so herausfordernd wie vielfältig ist, hat das Land auch außerhalb seiner Hauptstadt einiges zu bieten. Von einer der zwei zentralen Busstationen der Stadt erreichte ich in wenigen Stunden die südlichste Stadt Sour, mit einem der schönsten Sandstrände des Landes und in die nördlichste Stadt Tripoli, die von einer über tausendjährigen Geschichte erzählt. Wer die Stadt gen Osten verlässt, ist in weniger als einer Stunde in den Bergen – noch ein Stück weiter tauchen die Ruinen in Baalbek (Bild ganz oben) auf.


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Die Rolle der Hisbollah, stagnierende politische Zustände und eine mittelmäßig funktionierende öffentliche Versorgung: Was es aus dem Libanon hinaus und in die deutschen Medien schafft, sorgt meist für kein gutes Image. Gerade deshalb lautet mein Tipp: Schau dir das Land selber an. Den bewegten Bildern der politischen Großwetterlage trotzt das kleine Land nicht nur mit landschaftlicher Schönheit, sondern auch mit Gastfreundschaft. Touristen bewegen sich tags wie nachts sicher und können sich auf die Hilfe der Einheimischen verlassen, die mit ihrem trilingualen Englisch-Französisch-Arabisch-Mix Kommunikationsprobleme (fast) unmöglich machen. Ein Studienaufenthalt im Libanon ist ungewöhnlich, aber er lohnt sich.


Das Anderswo

Im Libanon treffen Mittelmeerküste, schroffe Berggipfel und fruchtbare Täler aufeinander. Wer die Hauptstadt Beirut besucht, wird auf überraschende Gegensätze stoßen: Während eine Vielzahl von Geschäften und Restaurants, zum Beispiel an der mit Palmen gesäumten Seepromenade Corniche, zum Vergnügen einladen, erinnern die Ruinen in der Stadt an den 16-jährigen libanesischen Bürgerkrieg. In den Städten Baalbek, Byblos und Tyros können römische Tempel oder Festungen der Kreuzritter bestaunt werden, die zum UNESCO-Weltkulturerbe zählen.


Maximilianes Tipps

Unvergesslich: Campen in den Bergen und Tage am Strand - das libanesische Lebensgefühl im Sommer.

Hinkommen: Momentan gibt es keinen Landweg in den Libanon. Kosten für Direktflüge variieren von Monat zu Monat, liegen zumeist aber recht günstig bei unter 300 Euro.

Das geht nur hier: 18 Religionsgemeinschaften auf einmal kennenlernen.

Unbedingt probieren: Das Restaurant ›Mezyan‹ in Hamra bietet alles, was Libanesen zum Genießen brauchen: Arak, Essen und Musik.

Typisch Libanon: »Baddak Shi?« heißt übersetzt so viel wie »Brauchst du was?«. Die höfliche Antwort ist »Nein, danke«. Meistens wird einem trotzdem alles, was man möglicherweise brauchen könnte, mitgebracht.